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»Wir wollen die hier nicht«

Bündnis der Bürger stellt sich dem braunen Aufmarsch entgegen

Von Wolfgang Wotke,
Dirk Bodderas
und Peter Bollig (Texte und Fotos)
Gütersloh (WB). Mit massiver Präsenz hat die Polizei am Samstag einen Aufmarsch von vorwiegend auswärtigen Neonazis in der Dalkestadt begleitet. Den rund 150 braunen Demonstranten stellten sich etwa 3000 Gegendemonstranten entgegen, gleichwohl blieb es in der Innenstadt weitestgehend friedlich.

Ein breites Bündnis aus der Gütersloher Bürgerschaft, initiiert von Bürgermeisterin Maria Unger und getragen von etwa 150 Institutionen, Vereinen und Verbänden, widersetzte sich den Argumenten der Neonazis. »Wir lassen keinen Keil in unsere Stadt treiben«, rief Unger während der Eröffnung der Kundgebung auf dem Berliner Platz dazu auf, gemeinsam gegen den rechtsextremen Aufmarsch zu demonstrieren. Die Neonazis mit ihren zweifelhaften Botschaften »brauchen und wollen wir hier nicht«.
Zur Kundgebung unter dem Motto »Gütersloh für Toleranz und Zivilcourage« auf dem Berliner Platz waren allerdings nur wenige hundert Menschen gekommen, viele von ihnen dürften wohl eher zufällig während ihres Einkaufsbummels für einige Augenblicke zugeschaut haben. Der Schwerpunkt der Gegendemonstrationen lag indes am Zentralen Omnibusbahnhof, wo sich mehr als 2000 Menschen versammelt hatten, um die Neonazis am nahen Bahnhof bei ihrer Ankunft lautstark in Empfang zu nehmen. Zuvor waren viele Teilnehmer, darunter etwa 700 Schüler sowie einige Gewerkschafter, in Umzügen durch die Innenstadt gezogen. Kundgebungen gab es auch auf dem Marktplatz (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), vor der Stadthalle (WASG) und in der Strengerstraße (Antifa).
Auf dem Berliner Platz forderte Unger dazu auf, ein Zeichen gegen Fremdenhass zu setzen. Der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes, Helmut Klatt, betonte, dass in den Betrieben die Mitarbeiter verschiedener Nationalitäten friedlich zusammenarbeiteten. Aufmärsche der Rechtsextremen wie der in Gütersloh könnten unterdessen Deutschland international isolieren und ausländische Investoren abschrecken.
DGB-Landesvorsitzender Guntram Schneider beklagte, dass die Gerichte rechtsextreme Aufmärsche überhaupt zuließen (»das ist keine demokratische Rechtsprechung«). Den Opfern der Nationalsozialisten sei man schuldig, Neonazis an jeder Stelle zu begegnen und »Front zu machen gegen die braune Front«.
Nach Angaben aus Polizeikreisen soll der Einsatz der rund 1000 Beamten, die aus allen Teilen des Landes zusammengezogen wurden, 500 000 bis 700 000 Euro gekostet haben. Von den Einsatzkräften wurden 105 Platzverweise ausgesprochen. Sechs Personen wurden in Gewahrsam genommen, weil sie Platzverweisen keine Folge geleistet hatten. Gegen sieben Demonstrationsteilnehmer wurden Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gefertigt. Gegen einen Teilnehmer aus dem rechten Aufzug wurde eine Strafanzeige wegen Zeigen des Hitlergrußes gefertigt. Verletzt wurde niemand. Lediglich geringe Sachschäden, unter anderem an einem Einsatzwagen der Polizei, waren zu verzeichnen. Der Protest der bürgerlichen Gruppierungen, insbesondere der Demonstrationszug der Schüler, verlief friedlich.
Unzufrieden mit der Strecke der Demonstrationszüge und der Sperrung von Innenstadtstraßen waren einige Gewerbetreibende, so etwa Unternehmer Markus Finke, dem die Kunden ausblieben. Ausgerechnet das sonst einträgliche Samstagsgeschäft sei so deutlich getrübt worden. Ladeninhaber an der Strengerstraße beklagten unterdessen den Lärm, den Musiker auf der dort platzierten Bühne verursachten. Einige Geschäfte blieben am Samstag ganz geschlossen.

Artikel vom 27.03.2006