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Humorvolle Seitenhiebe auf
kirchliche Befindlichkeiten

»Duo Camillo« begeistert Freitag im Bonhoeffer-Haus

Steinhagen (mas). Albtraum oder Lichtgestalten? - Schon bei der Begrüßung im rappelvollen Dietrich-Bonhoeffer-Haus ließ Pastor Ulrich Melzer den Gästen die Wahl. »Duo Camillo«, das frechste Duett seit Don Camillo und Peppone, zauberte am Freitag Abend in seinem zweieinhalbstündigem Mammutprogramm »Sie müssen dran glauben« in jedem Fall ein Lächeln in die Gesichter.

Und nicht nur das. Zuweilen wieherndes Gelächter ließ ahnen, dass die beiden Frankfurter dem Publikum schon länger ein Begriff sind. Denn Fabian Vogt, Pfarrer in Frankfurt, und Martin Schultheiß, studierter Physiker und Verleger, sind 2004 beim Kreiskirchentag im Gerry- Weber-Stadion in Halle aufgetreten und auch andernorts in der Region einschlägig bekannt.
In einer bunten und sehr gelungenen Mischung aus Kabarett, Wortnummern, Liedern, Balladen und fetzigen Musikstücken wird das politische und kirchliche Geschehen einer erfrischend respektlosen Nabelschau unterzogen. Mit Klavier, Saxophon, Gesang, viel Körpereinsatz und einer Fussballmütze wird das Publikum in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Frisch von der Leber weg wird da gefrotzelt über Gott und die Welt. Kein Auge bleibt trocken bei den respektlosen Seitenhieben auf kirchliche Befindlichkeiten.
Zum Schenkelklopfen die »heiteren Momente in der Kirche«, wenn dem Pfarrer der Säugling bei der Taufe entgleitet oder der Talar sich an einer Kerze entzündet. Selbst Vogts eigene Zunft kriegt mit »Die Pfaffen rasen durch den Wald« - angelehnt an ein Kinderlied - ihr Fett weg. Und selbst Jesus muss dran glauben, denn »junge Leute eifern ihm nach - bis 30 Zuhause, und wenn sie was tun, ist's ein Wunder!«
Und immer wieder schleichen sich ernste Geschichten um Liebe und Menschsein ein: In der ergreifenden Geschichte um eine deutsch-amerikanische Liebe, die schuldlos unerfüllt bleibt, wird das Erzähltalent Vogts genauso deutlich wie eine positive Kraft, die er aus dem Glauben zieht.
Liebeslieder an Gott und respektloses Flachsen über die Kirche - bei Duo Camillo geht das gut zusammen, da bleibt kein Auge trocken. Der Wechsel zwischen Heiterkeit und Ernst funktioniert mit Leichtigkeit und Stimmigkeit. Und immer wieder wird das Publikum gefordert, sei es zum Mitfühlen oder zum Mitsingen.
Legendär schon die Improvisationsnummer, die als Abschluss eines Auftrittes bei den beiden Hyperaktiven immer folgt. Thema, Musikstil und Tonart, vom Publikum ausgewählt, bilden die Steilvorlage für eine Improvisation, die sich gewaschen hat. Dieses Mal ließ das Publikum »den pubertierenden Bonhoeffer« zu Boogie-Woogie-Klängen »mit Wollsocken sich auf einer Nudelparty wie ein Rooibuschtee-Beutel fühlen«. Oder so ähnlich. Köstlich. Könnte als moderner Gottesdienst durchgehen.

Artikel vom 27.03.2006