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»Mit Fasten das Leben gestalten«

WESTFALEN-BLATT befragte in Steinheim und Nieheim die Bürger nach ihrer Einstellung

Von Ariane Mönikes und Harald Iding
Steinheim/Nieheim (WB). Die 40-tägige vorösterliche Fastenzeit lässt die Deutschen kalt. Nach neuesten Erhebungen sind mehr als 60 Prozent der Bundesbürger von dieser Tradition unbeeindruckt -Ênur wenige schränken sich bei Fleisch oder Süßigkeiten ein.

Das WESTFALEN-BLATT fragte bei den Bürgern in den Städten Steinheim und Nieheim über ihr Verhältnis zum Fasten nach. Für Robert Drews (23) ist die Zeit von Aschermittwoch bis Karfreitag etwas sehr Heiliges: »Aus Überzeugung verzichte ich jetzt auf Alkohol, habe bisher auch immer durchgehalten.« Da ist der Student wohl eher eine Ausnahme. Viele zeigen sich von der Fastenzeit ungerührt. Gerade für Jüngere hat das traditionelle Fasten kaum noch einen Stellenwert. »Die Fastenzeit bedeutet mir nichts. Auch als Kind habe ich nicht verzichten müssen«, so die 16-jährige Lilia Hetmann. Ihre Freundin Andrea Pott (16) sieht das ähnlich. »Zwar hab es für mich als Kind weniger Süßigkeiten. Aber über die Jahre hinweg hat man dann doch mit der Tradition gebrochen.«
Rentner Karlheinz Fengler (61) hingegen hält an dem Brauch fest. »Grundsätzlich verzichte ich in der vorösterlichen Zeit gänzlich auf Bier, was mir nicht schwer fällt. Bei Gaststätten-Besuchen mit Freunden trinke ich dafür nur Wasser!« Der Vinsebecker fastet aus christlicher Überzeugung.
Die Europasekretärin Sylvia Finkler isst derzeit keinerlei Fleisch. »Das dadurch eingesparte Geld spende ich hingegen in Tsunami-Gebiete, die Bibel gibt mir während dieser Zeit zusätzlich Kraft!« Laut dem Nachrichtenmagazin »Focus« verzichten in der Fastenzeit gerade einmal 19 Prozent der Deutschen auf Süßigkeiten. Lediglich elf Prozent greifen weniger nach Zigaretten und Fleisch. Dabei hat das Fasten eine lange Tradition: Bis 1966 war in der römisch-katholischen Kirche an allen Freitagen und in der österlichen Bußzeit das Fasten für die Gläubigen vorgeschrieben. Da jedoch der eigene Entschluss so nicht gewährleistet ist und die innere Haltung der Gläubigen als sehr wichtig angesehen wird, wurde das Fastengebot durch Papst Paul VI neu geordnet.
Seitdem gelten nur noch Aschermittwoch und Karfreitag als verbindliche Fasttage. An allen übrigen Tagen der Passionszeit wird das Fasten aber empfohlen. Viele Katholiken essen in dieser Zeit keine Süßigkeiten oder sonstige Genussmittel. Dabei soll die bewusste Einschränkung eine Schulung des Geistes bewirken, da die Fastenzeit eine Zeit der Buße und Umkehr ist.
Das findet auch der 80-jährige Heribert Walz aus Nieheim: »Es kann eine wertvolle Zeit der Besinnung sein -Êauch für die Jugend!« Fasten als Gestaltungselement des Lebens ist historisch in allen Religionen belegt und kommt in unterschiedlichen Formen vor: auf bestimmte Zeitabschnitte, kollektiv oder individuell, als völliger oder teilweiser Verzicht auf Nahrungsmittel sowie auf bestimmte Dinge wie Genussmittel, Fleisch und Alkohol.
Heute gibt es verstärkt Formen des therapeutischen Fastens wie Diäten, woran die Bürger festhalten. »Gerade für Kinder sollte diese Tradition eine Möglichkeit sein zu lernen, auf bestimmte Dinge zu verzichten«, meint Kaufmann Herbert Schauf.

Artikel vom 25.03.2006