27.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jugendgruppe »Auszeit« kommt gut an

Begegnungszentrum »Alte Südschule« fördert Integration und ist wichtige Anlaufstelle

Von Kendra Taktak
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). »Der Ausflug auf die Eisbahn , der hat mir total viel Spaß gemacht«! Die 14-jährige Funda bekommt glänzende Augen, wenn sie davon erzählt. Seit einigen Monaten besucht sie regelmäßig das Internationale Begegnungszentrum »Alte Südschule«, und sie ist mit Engagement dabei: Bei der Jubiläumsparty zum »Dreijährigen« der Jugendgruppe »Auszeit« übernahm sie zeitweilig die Eintrittskasse.

Bernd Schubert, Einrichtungsleiter der »Alten Südschule«, freut sich über die Begeisterung der jungen Leute: »Heute zählen wir mehr als 50 Besucher, alles Jugendliche mit Migrationshintergrund, die ohne uns keine Anlaufstelle hätten«.
Luftschlangen, Diskolichter und ein großes Mischpult machen auf den ersten Blick deutlich, dass Musik und Tanz angesagt sind. Den Kopfhörer nur halb überm Ohr wie ein Profi wechselt Samet, 12 Jahre jung, die CDs. Zeynel, Mehmet und Osman helfen bei der Auswahl und beim Auflegen. Begeistert beklatschte Breakdance-Einlagen auf der Tanzfläche werden immer wieder abgelöst von türkischer Popmusik, zu der alle tanzen. Und gelegentlich greifen die beiden 13-jährigen Sänger Haran und Özgür alias MC Braider und MC Raider zum Mikrofon. Eine Party, bei der alle ausgelassen sind, alle mitmachen und keiner in der Ecke steht.
»Regelmäßig kommen 20 bis 30 Jungen und Mädchen zu uns»« erklärt Erdogan Düz, der seit Februar als Betreuer in der »Alten Südschule« arbeitet. Düz studiert Diplompädagigik, doch entscheidend für seine Arbeit mit den Jugendlichen ist, dass er ebenfalls aus der Türkei stammt. »Zwar ist die Umgangssprache im Zentrum deutsch, denn unser Ziel ist es ja, die Integration der Jungen und Mädchen zu fördern. Wenn ich nicht die gleiche Muttersprache sprechen würde, wäre es schwierig, Vertrauen zu gewinnen«.
Minikicker und Playstation sind unter 11- bis 13jährigen Jungen »der Renner«. Außerdem stehen Billiardtisch und Tischtennisplatte zur Verfügung, gibt es freitags Fußball und Völkerball in der Turnhalle der Südschule und im Sommer Volleyball. Das Angebot ist vielfältig. »Schade allerdings, dass es aufgrund des großen Ausländeranteils schwierig ist, deutsche Jugendliche dauerhaft einzubeziehen, findet Düz. Mit der Teilnahme an Veranstaltungen wie »Soccer-Nights«, vom Bezirksjugendpfleger Wolfgang Rietschel organisierte freie Fußballturniere, nutzt die Jugendgruppe Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen.
Selim Yilmazer, der Sozialarbeit studierte und zu den Gründungsmitgliedern der Jugendgruppe gehörte, hat als Kind selbst das Freizeitangebot der »Alten Südschule« genutzt. »Heute weiß ich, dass die Ausübung eines angesehenen Berufes der Schlüssel zur Integration in die deutsche Gesellschaft ist.« Daher haben er und sein Team die Berufs-Beratungswerkstatt ins Leben gerufen.
Außerdem freut sich Yilmazer besonders über die fünf Computer, die dem kleinen hausinternen Internetcafé zur Verfügung stehen. »Dort schreiben die Jugendlichen E-Mails und surfen im Netz. Während sie so ihren Interessen nachgehen, lernen sie, routiniert mit dem Rechner umzugehen«.
Im Alter von 12 oder 13 Jahren fiele es den jungen Leuten noch vergleichsweise leicht, sich mit deutschen Schulkameraden zu verstehen und in deutsche Gruppen einzufügen, bemerkt Yilmazer. Doch mit 17 oder 18 Jahren werde es zunehmend schwieriger, da das Einschlagen verschiedener Bildungs- und damit Lebenswege desintegrierend wirke. Das gilt nicht nur für deutsch-türkische Verhältnisse, sondern auch innerhalb der Jugengruppe, wie Einrichtungsleiter Schubert festgestellt hat: »Mit dem Führerschein verabschieden sich die Älteren«.
Dadurch habe sich in der Gruppe ein Wechsel vollzogen: nun kommen die jüngeren Geschwister und deren Freunde. Schubert freut sich über den Zuwachs, aber: »Mit einem weinenden Auge sehe ich die älteren in Kneipen und Internetcafés herumhängen; für diese Altersklassen gibt es keine Alternative zum Jugendzentrum«.
Das Problem Nummer eins: Auch für die Jugendarbeit werden Gelder gestrichen, wodurch den Pädagogen der Handlungsspielraum eingeengt wird und das angebotene Freizeitprogramm ausdünnt. Ausflüge nach Köln und in den Safaripark, auf Weihnachtsmärkte und in Kinos gehören vielleicht der Vergangenheit an. »Für dieses Jahr konnten wir noch keine Pläne schmieden - wir müssen erst die Finanzierungsmöglichkeiten abwarten,« sagt Schubert bedauernd.
Früher sei die Südschule auf der anderen Straßenseite der selbstgewählte Treffpunkt der Jugendlichen gewesen, doch ohne Aufsichtskräfte seien Konflikte oft eskaliert und in »Randale« ausgeartet. »Deshalb wurde im Februar 2003 die Jugendarbeit in der Alten Südschule wieder aktiviert,« erklärt Diplompädagoge Schubert. Seit mehr als 25 Jahren stellt die Arbeiterwolhlfahrt (AWO) die »Alte Südschule« als Anlaufpunkt für die türkischen Bürger im Stadtbezirk Brackwede zur Verfügung.

Artikel vom 27.03.2006