24.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kirchenumbau
1906 vollendet

Presbyter sicherten Projekt finanziell

Holzhausen (wm). Mit der heutigen Technik ist Bauen zwar auch kein Kinderspiel, doch ist es erheblich einfacher als noch vor beispielsweise 100 Jahren. Umso erstaunlicher also, dass damals der Umbau und die Erweiterung der Holzhauser Kirche nicht einmal ein Jahr dauerte. Mit einem großen Gemeindefest wird dieses Jubiläum im August gefeiert.

Die Baugenehmigung lag im April 1905 auf dem Tisch, die Arbeiten im und am Gotteshaus starteten im Juli. Die einschiffige Kirche wurde nach Norden und Süden um jeweils ein dreiteiliges Seitenschiff erweitert, an der Ostseite entstand der heutige Altarraum. Mit diesem Projekt war auch endgültig die Idee vom Tisch, das Gotteshaus gänzlich abzureißen und neu aufzubauen. Auch die Idee, es zu »drehen«, also vollkommen anders auszurichten, hatte keine Chance. Abgerissen wurden jedoch die Seitenschiffe, wobei aus heutiger Sicht wertvolle Steinmetzarbeiten verloren gingen, wie Ortsheimatpfleger Wilhelm Koch bedauert. Und auch längst nicht alle Grabsteine aus der Kirche wurden gerettet; einige sind in die Mauern des Gotteshauses eingelassen und so für die Nachwelt erhalten worden. Die grundlegende Neuplanung, in die das ehemalige Mittelschiff aus dem 12. oder 13. Jahrhundert einbezogen wurde, stammte vom Architekten Karl Siebold. Maurermeister Horstmann aus Blasheim war für den handwerklichen Teil verantwortlich. 27 000 Reichsmark kosteten die Maurer- und Dachdeckerarbeiten, dazu kamen der Innenausbau, die Einrichtung und der Turmneubau. Interessant auch die Finanzierung: »Gut betuchte« Presbyter mussten ein persönliches Darlehen aufnehmen und so die voraussichtlichen Baukosten von 54 000 Reichsmark absichern. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war die Hälfte abbezahlt. »Die Inflation als Weltkriegsfolge nutzten sie später, um ihre Schulden deutlich schneller zu tilgen«, so Koch mit einem Schmunzeln.
Superintendent Bernhard Volkening und Wilhelm Freiherr von Ledebuhr waren maßgebliche Förderer des Neubauprojektes, Generalsuperintendent Zoellner weihte das Gotteshaus am 3. April 1906 neu. Ledebuhr stiftete auch einen Altar, der immerhin 1 000 Reichsmark kostete. 1950 erhielt der Innenraum eine neue Ausstattung; die alte wurde entsorgt. Nur wenige Gegenstände wurden gerettet. So befinden sich heute zwei hölzerne Gedenktafeln von in zwei Kriegen gefallenen Holzhausern im Besitz von Wilhelm Koch. In der Kirche steht noch ein alter Taufstein, und auch einen alten Opferstock gibt es noch - samt einer interessanten Geschichte. »Im 18. Jahrhundert stahl jemand Geld daraus, wurde erwischt - und musste zur Strafe das Land verlassen. Allerdings war damals der Schlagbaum in Blasheim, also nicht so weit entfernt«, so Pfarrer Steffen Bäcker.
Mit der Kirchenweihe war die Umgestaltung des Gotteshauses aber noch nicht abgeschlossen. Denn der Turm erwies sich als nicht mehr standfest und drohte einzustürzen. Deshalb war man gezwungen, ihn abzutragen. Und noch im Jahre 1906 wurde ein neuer Turm errichtet.
Nach 1850 gab es in der Holzhauser Kirche keine Beerdigungen mehr; bis dahin fanden Adlige und Pfarrer hier ihre letzte Ruhe. Und ab 1905 konnten die Gläubigen ihre Plätze in der Kirche frei auswählen, was zuvor nicht möglich war.

Artikel vom 24.03.2006