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Der zweite Frühling
der Paul-Thöne-Halle

Machbarkeitsstudie hat Überraschungs-Sieger

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Der Überraschungssieger der Machbarkeitsstudie zum Theaterneubau ist die Paul-Thöne-Halle. Nach Ansicht des Münchener Architekturbüros Beneke/Daberto kann aus der Substanz des Altbaus »ein den Gütersloher Anforderungen genügendes Theaterhaus mit hoher Qualität geschaffen werden.«

Doch die weitere Nutzung der Thöne-Halle erfordert einen Umbau, keinen Neubau. Für einen Neubau favorisiert die Münchener dagegen den reduzierten Entwurf des Hamburger Architekten Prof. Jörg Friedrich, der die Vorstellung der Studie im Kulturausschuss gestern auf der Tribüne verfolgte. Die Gutachter empfehlen nun einen Sieger-Mix: den Neubau nach der Friedrich-Variante kombiniert mit prägenden Bauteilen der Thöne-Halle. Die Stadt kalkuliert diesen Neubaumix mit 19,6 Millionen Euro Gesamtkosten - das wären immerhin 10,8 Millionen Euro weniger als die 2003 diskutierte »große« Friedrich-Variante.
»Wie ist sowas möglich?« »Warum kannten wir diese Resultate nicht schon vor drei Jahren?« lauteten zwei häufig gestellte Fragen im Ausschuss. »Das liegt am Anforderungsprofil«, lautete die knappe Antwort des Architekten Reinhold Daberto. In den drei dürren kulturpolitischen Jahren seit dem Bürgerentscheid gegen einen Theaterneubau hätten die Gütersloher ihre Ansprüche kräftig reduziert. In öffentlichen Arbeitsgruppen, in der Verwaltung und in der Lenkungsgruppe zum neuen Gutachten seien Kernanforderungen an ein zu Gütersloh passendes Theater formuliert worden. Dazu zähle unter anderem eine Bühnengröße von 220 Quadratmetern, eine Hinterbühne mit 150 Quadratmetern, Werkstätten für Schnellreparaturen, ein Orchestergraben für 50 Musiker und ein Zuschauerraum für 520 (Sprechtheater) oder 470 (Musiktheater) Personen. Verzichtet werden könne auf Seitenbühnen, wenn ausreichend Lagerflächen auf Bühnenniveau angeboten würden. Statt einer Probebühne könne auch ein Studio für bis zu 150 Personen geschaffen werden. Im Foyer müssten ebenfalls Veranstaltungen stattfinden können.
»Erst mit diesen reduzierten Ansprüchen geriet die Thöne-Halle überhaupt wieder in unseren Blickwinkel«, erläuterte Daberto. »Der Bürgerentscheid hat in hohem Maße zum neuen Anforderungsprofil beigetragen«, stellte Baudezernent Josef E. Löhr fest.
Das große Thema des Bürgerentscheids aber war das Geld, nicht der (eigentlich unumstrittene) Friedrich-Entwurf. Sollten die Kosten die 20-Millionen-Euro-Marke nicht überschreiten, hält Kämmerer Dr. Klaus Wigginghaus den Theater-Neubau für finanzierbar. Laut einer Kalkulation, die Bürgermeisterin Maria Unger verlas, soll die Gesamtsumme aus den Erlösen des Stadtwerke-Verkaufs (7,5 Millionen Euro), Sponsorengeldern (fünf Millionen Euro), dem Verkauf von RWE-Aktien (4,4 Millionen Euro) und aus einem Kredit (2,5 Millionen Euro) bezahlt werden. Die RWE-Aktien zählen zum Vermögen der Stadthalle. Aus der jährlichen Dividende in Höhe von 90 000 Euro wird derzeit das Defizit der Stadthalle gemindert. Dieser Ausgleich wäre künftig aus der Stadtkasse zu zahlen. Ohne die laufenden Betriebskosten rechnet der Kämmerer mit einer jährlichen Gesamtbelastung durch den Neubau in Höhe von 227 500 Euro ab dem Jahre 2011. »Negative Auswirkungen auf das sonstige städtische Aufgaben- und Ausgaben-Spektrum sind bei Fortsetzung der bisherigen städtischen Finanzpolitik nicht (É) zu erwarten«, heißt es in der Stellungnahme des Kämmerers.
Im Kulturausschuss mahnte Norbert Morkes (BfGT) die genaue Auflistung der laufenden Kosten des Theaterbetriebes an. Erst dann könne eine Entscheidung über das eine oder andere Modell getroffen werden. Seinen angekündigten Befangenheitsantrag gegen das Büro Beneke/Daberto zog Morkes zu Beginn der Sitzung zurück, da das Büro keine siebte, eigene Untersuchungs-Variante vorgelegt habe.
Peter Kalley (UWG) riet, die Gesamtbelastung auf ein für normale Bürger durchschaubares Maß herunterzubrechen. »Im ersten Augenblick wirken auch die reduzierten Zahlen gewaltig. Tatsächlich aber geben wir für Kultur seit Jahren weit weniger aus als für andere Geschäftsbreiche.« CDU, SPD und FDP lobten die Studie. Für Marita Fiekas (CDU) legt sie die Grundlage einer wirklich neuen, unvoreingenommenen Neubau-Debatte. Ingrid Schrader (SPD) sieht endlich eine Möglichkeit, aus der gegenwärtigen kulturpolitischen Misere herauszukommen.
»Die Studie zeigt uns zwei Möglichkeiten auf, in Gütersloh ein finanzierbares Theater auf die Beine zu stellen. Das ist ein guter Tag für Gütersloh«, stellte Kulturdezernent Andreas Kimpel fest. Bürgermeisterin Maria Unger kündigte eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit zum Theaterneubau an. Die Fraktionen forderte sie auf, überkommene Positionen und Frontstellungen hintenanzustellen.
www.theater-fuer-guetersloh.de

Artikel vom 24.03.2006