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Pfeifen des Haller Willem
strapaziert viele Nerven

Anlieger wollen sogar Acker eines Landwirtes pachten

Von Stefanie Westing
(Text und Fotos)
Altkreis Halle/Quelle (WB). Es gibt eigentlich nur noch zwei Stellen, an denen der »Haller Willem« wegen eines unbeschrankten Bahnüberganges Pfeifsignale geben muss: vor einem Fußgängerüberweg im Haller Bahnhof und kurz bevor er den Queller Bahnhof verlässt. »Ohrenbetäubend«, schimpfen die Anlieger in Quelle. Besonders bizarr: Der Zug pfeift nur für eine Person.

Der unbeschrankte Bahnübergang am Oleanderweg ist der Grund dafür, warum jeder Lokführer die Hupe betätigen muss, bevor er in den nur wenige Meter entfernten Queller Bahnhof einfährt oder diesen verlässt. Eine Vorschrift der Deutschen Bahn AG sieht nämlich vor, dass an unbeschrankten Bahnübergängen, bei denen nicht zu beiden Seiten 600 Meter freie Sicht gegeben ist, Züge auf sich aufmerksam machen müssen. Dass der Bahnübergang praktisch nur von einem Landwirt genutzt wird, wenn er auf ein jenseits liegendes Feld möchte, ist unerheblich.
»Dafür, dass der Landwirt vielleicht zehn, 15 Mal pro Jahr auf dieses Feld fährt, müssen wir ständig dieses Gepfeife ertragen. Von 5 Uhr früh bis 23 Uhr abends im Halbstundentakt, sieben Tage die Woche«, rechnet Anwohner Mario Arbeiter vor. Draußen hätten die Pfiffe mehr als 100 Dezibel, im Haus bei geschlossenem Fenster immer noch 85, sagt der Queller. »Diese Lärmbelästigung ist unerträglich.«
Dabei sei die Lösung so einfach, meint der 39-Jährige, der sich gemeinsam mit Anwohner Frank Henning dem Kampf gegen das Pfeifen widmet. »Wir haben Gespräche mit der Deutschen Bahn geführt. Die schlägt als Lösung vor, beidseitig der Gleise einen verschließbaren Schlagbaum zu installieren. Der Schlüssel würde bei dem Landwirt hinterlegt. Bevor er die Gleise kreuzen will, muss er einmal kurz am Bahnhof Quelle anrufen und fragen, ob der Weg frei ist«, schildert Arbeiter. »Weil der Landwirt das nicht wollte, haben wir ihm sogar angeboten, das Feld zu pachten, aber auch dazu war er nicht bereit.«
Aus Sicht des Landwirtes stellt sich die Situation ein wenig anders dar. »Ich hätte nichts dagegen, wenn dort eine Schranke oder ein Schlagbaum installiert würden. Aber die Auflagen der Bahn sind für mich nicht umsetzbar«, erklärte er gestern auf Anfrage. »Die Haftungsfrage ist das Problem. Ich als Eigentümer kann nicht gewährleisten, dass immer ein Anruf getätigt wird, ob die Strecke frei ist, und ich kann nicht kontrollieren, wer alles die Gleise überquert.«
Er habe das Feld bis 2013 verpachtet, sagte er zum Angebot, dass die Anwohner die Fläche pachten wollten. »Außerdem kann ich das Feld nicht einfach stilllegen, denn es gibt landwirtschaftliche Rechte und Pflichten, und wenn es zu lange nicht bewirtschaftet wird, verliert es seinen Wert.« Wenn überhaupt, sieht er die Bahn in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, indem zum Beispiel eine automatische Schranke installiert werde.
Davon will Thomas Johann, Leiter Regionalnetz der Deutschen Bahn AG Lipperland-Senne, nichts wissen. »Derjenige, der etwas will, muss reagieren. Wir sind ja eigentlich mit der Situation ganz zufrieden.« Die Deutsche Bahn AG würde aus Altbeständen eine per Hand zu bedienende, abschließbare Schranke zur Verfügung stellen können. Eine automatische Schranke komme eher nicht in Frage. Die kostet nämlich 300 000 Euro.

Artikel vom 23.03.2006