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Suche nach echter Musik

Béla Bartók wurde morgen vor 125 Jahren geboren

Von Thomas Strünkelnberg
Bielefeld (dpa). Das Jahr 2006 ist in musikalischer Hinsicht vor allem eines: Mozartjahr. Im Jahr von »Wolfers« 250. Geburtstag nimmt die Euphorie um das Salzburger Genie die Züge eines gewaltigen Vermarktungsfests an. Dabei ist das Jahr 2006 auch das Jahr eines der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts: Béla Bartók.
Der ungarische Komponist Béla Bartók.Foto: dpa

Auch ein musikalisches Wunderkind, nicht mit dem Attribut des Genies bedacht, dafür künstlerisch kompromisslos und ein Erneuerer der musikalischen Moderne, der vor allem aus der Volksmusik schöpfte. Bartók wurde vor 125 Jahren, am 25. März 1881, im ungarischen - heute rumänischen - Nagyszentmiklos geboren.
Was machte Bartók zu einem modernen Komponisten? Seine Studien an der Musikhochschule in Budapest führten ihn in die üppige Klangwelt der deutschen Spätromantik ein, die für ihn - wie für viele seiner Generationsgenossen - Ausgangspunkt, aber nicht musikalische Heimat wurde. Arnold Schönberg schwor der Tonalität ab - das war Bartóks Sache nicht. Stattdessen suchte er nach der echten Musik der ländlichen Bevölkerung seiner Heimat - »Bauernmusik«, wie er selbst sie nannte. Intensiv beschäftigte er sich mit der Volksmusik Ungarns und Rumäniens.
Bartók fiel nicht - wie etwa Franz Liszt und Johannes Brahms - auf die bekannte und beliebte so genannte Zigeunermusik Ungarns herein. Vielmehr erkundete er in Ungarn, Rumänien und der Slowakei eine Musik, deren fremdartige Tonsysteme und eigenwillige Rhythmen auch sein eigenes Schaffen nachhaltig beeinflussten. Unschwer war dies seinen Streichquartetten, Tanzsätzen, aber auch größeren Schöpfungen wie der Oper »Herzog Blaubarts Burg« und dem Ballett »Der holzgeschnitzte Prinz« anzuhören.
Außerdem sammelte der Professor der königlichen Akademie in Budapest, der ursprünglich als hervorragender Pianist eine Karriere als Solist angestrebt hatte, mehr als 10 000 Lieder. Die Bedeutung der Folklore in seiner Musik zeigte sein klavierpädagogisches Großwerk »Mikrokosmos« aus 153 Stücken. Doch aus Enttäuschung wandte er sich immer wieder der Wissenschaft zu; der zeitgenössischen Kritik flößte seine Musik oft Abscheu und sogar Angst ein. Die ungarische Kommission für schöne Künste hatte »Herzog Blaubarts Burg« als Wettbewerbsbeitrag wegen »Unspielbarkeit« zurückgewiesen. So wurde das 1911 vollendete Werk 1918 in Budapest uraufgeführt.
Bartók galt als ein verschlossener, aber auch stolzer Mensch. Als nach dem Anschluss Österreichs durch die Nazis Bartóks gleichgeschalteter Wiener Verlag dem Komponisten einen Ariernachweis abverlangte, reagierte er mit stolzem Schweigen. Mit seiner Emigration 1940 ging der Komponist nochmal einem ungewissen Schicksal in den USA entgegen. Es fiel ihm schwer, dort Fuß zu fassen. Bartók starb am 26. September 1945 verarmt in einem New Yorker Krankenhaus an Leukämie. Seine Heimat, deren Musik er wie kein anderer erforscht hatte, sah er nicht wieder.

Artikel vom 24.03.2006