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Ärger mit neuem Reisepass

Ämter schicken Bürger fort: Vorschriftswidrige Fotos

Herford (HK). »Ernst sein ist alles« - Neue Bedeutung hat das Zitat von Oscar Wilde im Hinblick auf den neuen Reisepass bekommen, der Anfang November eingeführt wurde. Doch vielen Bürgern vergeht das Lächeln schon automatisch.
Noch immer schicken die Ämter Bürger fort, weil ihre Passbilder nicht den technischen Anforderungen entsprechen: »Es sind oft nur Millimeter-Abweichungen, aber da müssen wir strikt sein«, betont Nadja Vollmer, Mitarbeiterin im Bürgerbüro Hiddenhausen. Schließlich zahlten die Kunden 59 Euro für den Reisepass. Anfangs habe es häufiger Probleme gegeben, inzwischen seien die Vorgaben bei Fotografen und Kunden bekannt. Dennoch muss nach ihrer Einschätzung bei fast jedem fünften Antragsteller das vorgelegte Kopf-Foto »reklamiert« werden, weil es nicht der Schablonen-Norm entspricht. Mancher müsse sogar zweimal wiederkommen.
Das neue »Lächeln-Verbot« beim Passbild stößt nicht auf Begeisterung: »Viele sagen, das sieht aus wie ein Verbrecher-Foto«, berichtet die 23-Jährige.
»Es ist etwas schwieriger geworden, Passfotos anzufertigen«, sagt Frank-Dieter Müller vom gleichnamigen Fotostudio in Eilshausen. Eines der »Probleme« ist natürlich auch für ihn, dass der zu Fotografierende auf dem Bild nicht lachen darf: »Wenn man den Kunden das sagt, fangen sie natürlich erst recht an zu lächeln, wenn sie vor der Kamera sitzen.«
Und Kreativität sei eigentlich überhaupt nicht mehr gefragt: »Größe, Hintergrund, Ausleuchtung, sogar die Mimik - alles ist ja jetzt vom Gesetzgeber vorgeschrieben...«
Von Problemen weiß auch der Herforder Diplom-Fotoingenieur Michael Tölke zu berichten: »Kein normaler Kopf entspricht den Eierköpfen auf den Schablonen«, ärgert sich der 47-Jährige. Dieser muss - vom Kinn bis zum Haaransatz - exakt zwischen 3,2 und 3,6 Zentimeter lang sein. »Doch wo hört man auf zu messen - zum Beispiel bei Menschen mit schütterem Haar oder Glatze?« Als »mangelhaft« bezeichnet er den Informationsfluss seitens des Herforder Bürgeramtes. »Bis zum heutigen Tag haben wir offiziell noch keine Informationen bekommen, obwohl wir mit 800 Quadratmetern zu den größten Fotostudios Herfords zählen«, kritisiert Tölke. Dass beispielsweise bei Fotos für Aufenthaltsgenehmigungen der Ausländerbehörde die gleichen Richtlinien wie beim Reisepass gelten, habe er erst nach Reklamationen erfahren.
Eine andere Bilanz zieht Fritz Stützinger (56) vom Bürgerservice Herford. »Nach Startschwierigkeiten kommt es jetzt nur noch sehr selten zu Problemen. Die Ablehnungsquote liegt bei unter zehn Prozent.«
Gute Nachricht für Kinder: Sie dürfen ab sofort wieder lachen! Und zwar auch auf Fotos. Das war anfangs auf den Kinderreisepässen verboten, erwies sich jedoch als wirklichkeitsfremd. Ernst sein ist vielleicht doch nicht alles.

Artikel vom 22.03.2006