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Joachim und
Kurt im Duett

Ringelnatz- und Tucholsky-Lesung


Hiddenhausen (mv). Wenn sich eine Badewanne für das Mittelmeer hält und man aufgefordert wird »Küsst die Faschisten!«, so hat man es mit zwei der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts zu tun: Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky. Während der in der Nähe von Leipzig geborene Ringelnatz eher als der liebevolle Optimist bekannt ist, sagt man dem Berliner Tucholsky eine pessimistisch »kalte Schnauze« nach. Bernd Weidtmann las am Freitag in der ausverkauften Kulturwerkstatt Gedichte der beiden Autoren.
Mit seinem Programm führt der Herforder sein Publikum bereits seit einem Jahr an biographischen Eckdaten von Tucholsky und Ringelnatz entlang und liest dazu abwechselnd deren Gedichte.
Bernd Weidtmann, der als Lehrer an einer privaten Wirtschaftsschule tätig ist, zeigte viele Parallelen im Leben der beiden Schriftsteller auf. Nahezu zur gleichen Zeit wurden beide im Ersten Weltkrieg eingezogen und auch ihr Liebesleben ähnelte sich in vielen Punkten.
Der Rezitator wusste sowohl den sächsischen Akzent von Ringelnatz nachzuahmen, als auch Tucholskys »Berliner Schnauze«. Damit verlieh er den Gedichten einen Hauch mehr an Authenzität. Seine lebendige Rezitiertechnik bewegte sein Publikum immer wieder zu reger Anteilnahme an den Texten. Besonders fiel der Austausch untereinander auf, während Weidtmann Prosa rund um die Ehe zum Besten gab - er schien dem Publikum damit aus der Seele zu sprechen.
Auch wenn die meisten sicher nicht wie Else Weil, Tucholskys erste Frau, von sich behaupten können, die Scheidung eingereicht zu haben, als sie auf dem Weg in ihr Bett über die Liebhaberinnen ihres Mannes hinweg steigen musste.
Als Fazit bleibt ein gelungener Abend mit Momenten zum Schmunzeln und Innehalten in der historisch rustikalen Atmosphäre der Kulturwerkstatt.

Artikel vom 22.03.2006