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Ein echtes »Schmuckstück«

Harry Will gestaltet den neuen Wagen der Schaustellerfamilie Lüdtke

Werther (dh). Er soll ein echtes Schmuckstück werden - und das im wahrsten Sinne des Wortes: »Airbrusher« Harry Will aus Schwabach bei Nürnberg gestaltet den neuen Schmuck-Verkaufswagen der Wertheraner Schaustellerfamilie Lüdtke. Mit der Sprühpistole haucht der 56-Jährige Pharaonen und Pyramiden Leben ein.

Wer über die Kirmes bummelt, sieht vor allem zwei Dinge: bunte Farben und wild blinkende Lampen. Doch die Verkaufswagen von Jörg und Claudia Lüdtke sind anders. »Sie erzählen eine Geschichte«, sagt Claudia Lüdtke. Motive aus dem alten Ägypten sind das Markenzeichen ihrer Schmuckstände.
Und so lässt auch ihr neuester Wagen das alte Ägypten aufleben: Neun Meter lang ist der Anhänger, der von einem 14-Tonner gezogen wird. Gebaut hat ihn Jörg Lüdtke selbst. »Der Schmuckwagen ist sogar zur Hälfte für die Kunden begehbar«, erklärt er stolz.
Seit zwei Wochen macht Harry Will die schlichten Aluminium-Fronten kirmestauglich. Die übliche Bemalung reicht Familie Lüdtke nicht aus. »Man muss die Nase immer vorn haben«, meinen Claudia und Jörg Lüdtke. Mit Will haben sie einen Künstler gefunden, der in der Szene schon jede Menge Karussells und Wagen gestaltet hat. Darüber hinaus sprüht der »Airbrusher« Portraits oder Discothekenwände. Besonders stolz ist er auf seinen Modell-Hubschrauber, der in der Schweizer Nationalbank ausgestellt ist.
Vom Graffitisprühen nächtlicher Hobbykünstler ist Wills Arbeit weit entfernt. Mit Claudia Lüdtke hat er die Motive ausgesucht, die die Front zieren sollen: Auf dem Markt im alten Ägypten wird Gold abgewogen, eine Frau kauft eine Kette ein. »Die Bilder haben eine Handlung, die zu unserem Geschäft passen«, sagt Claudia Lüdtke. Und in der Mitte das Markenzeichen aller Lüdtke-Wagen: der große Kopf eines Pharaos.
Harry Will projeziert die Motive mit einem Episkop auf das Alu-minium, zeichnet sie nach. »Aber einfache Bilder male ich frei Hand«, betont der gelernte Maler, der sich die Airbrush-Technik selbst beigebracht hat.
Nicht größer als die Spitze eines Kugelschreibers ist die Öffnung der Airbrush-Pistole. »Harry arbeitet mit viel Liebe zum Detail«, sagt Jörg Lüdtke und beschreibt, wieviel Genauigkeit und Zeit beim Malen einer Wimper im Spiel ist. »Die sehen so echt aus, dass es so scheint, als würden uns die Menschen auf dem Bild angucken.«
Schwarz, weiß, rot, gelb und blau - das sind die Farben, aus denen Harry Will quadratmeterweise bunte Bilder zaubert: »Ich mische daraus nur wenige weitere Farben«, erklärt der Künstler. In erster Linie sprühe er verschiedene Farben übereinander, um den richtigen Ton zu treffen.
Seit zwei Wochen arbeitet Harry Will an der 9 mal 2,10 Meter großen Front, in wenigen Tagen will er sie fertiggestellt haben. Dann folgen zwei Säulen sowie der Unterbau des Wagens. Hier soll ein riesiger Sarkophag aufgemalt werden. »Das mache ich mit dem Pinsel, weil das Bild zu kleinteilig ist«, erklärt Will, der dafür weitere 40 bis 50 Stunden einkalkuliert. Doch bevor der neue Schmuckwagen Ostern seine erste Reise zum Frühlingsfest in Hannover antritt, werden die Kunstwerke mit Klarlack wetterfest gemacht.
Übrigens, für Harry Will ist der Bummel über die Kirchweihe - wie der Schwabe die Kirmes bezeichnet - alles andere als ein Vergnügen. »Die meisten Bilder auf Karusells und Kassenwagen sind optisch grauenhaft«, findet Will. Umso größer sei die Freude, wenn er einen Wagen mit Bildern aus der eigenen Pistole entdecke.

Artikel vom 22.03.2006