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Wandlung des »blonden Dummchen«

Schauspielerin Marion Kracht begeistert in »Die ist nicht von gestern« im Neuen Theater

Espelkamp (hek). »Sie hat nicht viel Licht in der Birne - zappenduster.« Unternehmer Brock plant, seine Freundin durch etwas Nachhilfe bezüglich »Stil und Etikette« gesellschaftsfähig zu machen. Am Sonntag wurde das Publikum im Neuen Theater Zeuge einer wundersamen Wandlung: In der Komödie »Die ist nicht von gestern« reift das blonde Dummchen zur kritisch-emanzipierten Dame.

In Zukunft solle Billie (Marion Kracht) in der Öffentlichkeit lieber den Mund halten, rät Brocks Rechtsanwalt (Lutz Bembenneck). Er bezweifle, dass sie überhaupt einen »Kindergarten-Abschluss« habe. Zugegeben: In Anbetracht des naiv-unbeschwerten Verhaltens der jungen Frau drängt sich dieser Verdacht auf. In poppigen Gelbtönen gekleidet und einen Lutscher im Mund hin- und herschiebend, stöckelt Billie durch ihr Leben. Alle dreißig Sekunden kündet ein unschickliches Lachen von unentwegter Belustigung.
Als der Washingtoner Senator Hedges (Friedrich Graumann) und seine Gattin (Claudia Sauermann) sich anmelden, blamiert die »Verkörperung des Blondinenwitzes« den millionenschweren Harry Brock (Werner Haindl). Um Billie mit den Benimmregeln des diplomatischen Parketts vertraut zu machen, engagiert er den aufstrebenden Jungjournalisten Paul Verrall (Ottokar Lehrner).
»Er soll ihr ein paar Sätze einhämmern, die sie dann vom Stapel lassen kann«, so Brock. Obgleich er sein Bildungsdefizit geschickter zu kaschieren vermag als seine blonde Freundin, spricht Ungehobeltheit aus seinem Verhalten. Der machtbesessene Choleriker verachtet Kunst und Kultur. Er verdient sein Geld »mit dem Dreck anderer Leute«. Die »weiße Weste« wahrt er nur äußerlich: Schmiergelder, Korruption und Erpressung gehen auf sein Konto.
Damit seine Machenschaften nicht auffliegen, hat er seiner Partnerin die Firmen überschrieben. Mit ihren rot lackierten Nägeln unterzeichnet sie alles, was er ihr vorlegt. Doch mit dem Vorhaben, ihr ein Mindestmaß an Bildung zuteil werden zu lassen, schneidet sich Brock ins eigene Fleisch. In seiner Ehefrau erwacht der Ehrgeiz. Sie möchte nicht länger Floskeln abspulen. Lektüre und das unermüdliche Nachschlagen von Fremdworten sorgen für Kompetenz und Selbstbewusstsein. Billie lässt sich nicht mehr von Harry herumkommandieren. Zusammen mit Paul Verrall legt sie Harry das Handwerk: Weigert dieser sich, seine skrupellosen Berufspraktiken zu unterlassen, droht der Journalist mit der Veröffentlichung seiner Machenschaften. Am Ende hat nicht nur das Recht, sondern auch die Liebe gesiegt: Nach der Trennung von Harry nimmt Billie den Heiratsantrag ihres »Lehrers« Paul an.
Marion Kracht, bekannt aus Serien wie »Diese Drombuschs« unterhielt und verblüffte als nicht zu unterschätzende Blondine. Mit Mut zur Überzeichnung verkörperte sie die herzensgute Billie. In der Rolle von Harry, »des Königs der Selbstherrlichkeit«, überzeugte Werner Haindl: Ob obszön fluchend oder gewaltsam drohend - sein eindringliches Spiel würzte die Komödie mit Dramatik.

Artikel vom 22.03.2006