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Prinz bietet dem Werteverlust Paroli

Asfa-Wossen Asserate liest aus »Manieren«

Versmold (mh). Schlicht »Manieren« hat Prinz Asfa-Wossen Asserate sein Buch genannt, das er am Montagabend im Rahmen des »Lesefrühlings« der Buchhandlung Krüger und der Stadtbibliothek im Autohaus Nagel vorstellte. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Neufassung des »Knigge«, sondern vielmehr um die Sicht eines Weltmannes afrikanischer Herkunft auf die europäische Kultur - ernst, aber nicht ohne Augenzwinkern.

Im Alter von 20 Jahren ist Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, nach Deutschland gekommen, nachdem er in seiner Heimat schon die deutsche Sprache und Kultur kennengelernt hatte. »Die deutsche, oder besser: die europäische Kultur ist geprägt vom Christentum. Und ob man es glaubt oder nicht, der Aspekt der Nächstenliebe ist auch hier und heute unübersehbar«, erzählte er mit offensichtlicher Freude.
Schon zu Zeiten seines Studiums der Jura, Politologie und Geschichte verspürte Asfa-Wossen Asserate den Drang zu schreiben und legte sich in dieser Absicht einen großen Zettelkasten an, in dem er angenehme und unangenehme Erlebnisse oder Gespräche festhielt. »Eigentlich hatte ich daraus irgendwann meine Memoiren konzipieren wollen«, schilderte er, »aber Markus Enzensberger, mit dem ich gut befreundet bin, brachte mich dann auf die Idee, exakt aus meinen gesammelten Aufzeichnungen ein Buch zu konzipieren.« Das Buch beinhaltet also den Blick eines Fremden, der sich intensiv in eine neue Kultur einlebt. »Ich bin mit Menschen aller Milieus umgegangen«, erläuterte Asserate den Zuhörern.
»Wenn es eine Message gibt, dann ist es die Verbeugung vor einer Kultur.« Aber seit den gesellschaftlichen Umbrüchen der 68-er - auch er sei ein Kind dieser Zeit - sei ein Werteverlust zu erkennen, dem er mit diesem Buch Paroli bieten wolle. »Es geht um Manieren, aber nicht in dem Sinne, wie ich Messer und Gabel zu halten habe, sondern um Herzensbildung, Respekt und Aufrichtigkeit«, erklärte Asserate die Intention seines Textes.
Nachdem er sich und seine Geschichte aus dem ersten Kapitel vorlesend vorgestellt hatte, konzentrierte sich Asserate bei der gut einstündigen Lesung auf zwei wesentliche Aspekte. Basierend auf großer Bildung und der Kenntnis verschiedenster, auch historischer Kulturkreise beleuchtete er das Verhalten von Siegern und Besiegten und kam zu dem Schluss: Ein ungezwungener Umgang zwischen zwei ehemaligen Feinden sei nur bei Gleichwertigkeit der Kontrahenten möglich und sinnvoll. Sei aber eine Seite ständig unterlegen, gar geknechtet oder gedemütigt worden, sei der größtmögliche Erfolg ein »glatter Umgang« auf der Basis des Schweigens. »Und das gilt genauso im kleinen, familiären Bereich«, stellte Asserate fest.
Im letzten Abschnitt seiner Lesung betrachtete er die Trinkgewohnheiten verschiedener Völker und schilderte seine Beobachtung, dass beide Fälle unangenehm sind: Als einziger nichts zu trinken oder sich als einziger zu betrinken. Bezüglich massiven Alkoholkonsums gebe es in England die Regel, dass solch ein Abend grundsätzlich vergessen, als nicht existent erklärt wird. Damit schlug er wieder den Bogen zum Umgang mit Feinden: Auch hier sei Vergessen von Untaten ein wirksames Mittel zum freundlicheren Umgang.

Artikel vom 22.03.2006