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Anklage: Opfer
über 25 Meter mitgeschleift

Prozess wegen versuchten Totschlags

Versmold/Osnabrück (hj). Nein, an eine Kollision mit einem Mann könne er sich nicht erinnern. Auch nicht daran, was er eigentlich in Osnabrück wollte an dem Abend des 5. Oktober 2005. Der Angeklagte, Jochen W. aus Versmold, sagte gestern am ersten Prozesstag bereitwillig vor der sechsten großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zu dem Vorwurf des versuchten Totschlags aus, während sein Versmolder Kumpel Uwe B. beharrlich schwieg.

Beide Versmolder sollen am 5. Oktober vergangenen Jahres gegen 22.40 Uhr vor dem Restaurant »Corona« an der Möserstraße einen Mann so schwer am Kopf verletzt haben, dass dieser im Marienhospital Osnabrück für einige Wochen in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Die Staatsanwaltschaft wirft vor allem dem 43-jährigen Uwe B. vor, er habe zuvor vor dem Lokal eine Auseinandersetzung mit dem Opfer gehabt. Wie der Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Kirschbaum, den Angeklagten gestern vorwarf, sei der Versmolder dann in ein Auto gestiegen, das sein Kumpel Jochen W. (31) lenkte. Der habe den Rückwärtsgang eingelegt und soll auf den Mann, der zuvor in den Streit verwickelt war, zugefahren und ihn zu Boden gerissen haben. Anschließend soll der Geschädigte aufgestanden, an die Beifahrerseite des Wagens gegangen und durch das geöffnete Fenster mit dem Bein auf Uwe B. eingetreten haben. Der wiederum habe dann den Fuß seines Widersachers ergriffen und seinem Freund den Auftrag gegeben haben, los zu fahren. Auf einer Strecke von etwa 25 Metern soll der Mann dann neben dem Auto mitgeschleift und dabei schwer verletzt worden sein. Erst dann habe der Angeklagte den Fuß losgelassen. Anschließend soll sein Kumpel das Auto gewendet haben und auf den auf dem Boden liegenden Mann zugefahren sein. Der sei im letzten Moment von einem Passanten aus dem Gefahrenbereich gezogen worden. Im Bereich des Berliner Platzes in Osnabrück seien die flüchtigen Männer dann von Polizeikräften gestellt worden.
»Wir hatten keinen Grund für die Fahrt nach Osnabrück«, sagte Jochen W. gestern aus. Er sei stark alkoholisiert gewesen - bei der Blutprobe wurden 1,78 Promille festgestellt - und könne sich nur daran erinnern, dass sein Kumpel ins Lokal gegangen sei, wo es dann kurze Zeit später »Stress« gegeben habe. In der Zwischenzeit hatte die Freundin von Jochen W. in einen Seiteneingang des Lokals uriniert und sich dadurch den Unmut einiger Passanten zugezogen. »Ich wollte nur weg und habe dann zu meinem Kumpel gesagt: Lass uns abhauen.« Von einem Mann, der sein Bein durch die Seitenscheibe des Autos gesteckt haben soll, wisse er nichts. Warum er denn den Wagen gedreht habe, wollte der Richter wissen. »Ich hatte festgestellt, dass ich in die verkehrte Richtung fuhr. Da habe ich gewendet«, sagte er aus.
Der Prozess gegen die beiden Versmolder, die alkohol- und drogenabhängig sind, wird morgen fortgesetzt. Dann werden vor allem die Fragen geklärt werden müssen, wie denn ein Schuh des Geschädigten ins Auto der Versmolder gelangt ist und wer das Schiebedach so stark beschädigt hat, dass es am Unfallort aus der Verankerung gerissen wurde.

Artikel vom 21.03.2006