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Frühstücksschinken aus der Heimat

»Mincemeat« gibt es nur im Naafi-Shop - Neubau an der Marienfelder Straße

Gütersloh (rec). Da liegt die Gütersloher Garnison der Britischen Armee schon mitten im »Fettfleck Deutschlands.« Doch einen geeigneten Frühstücks-Schinken für das legendäre »Bacon and eggs« finden die Briten hier einfach nicht. Dafür gehen sie regelmäßig in ihren »Naafi«-Shop.

Der liegt bis jetzt noch an der Edisonstraße im Gütersloher Gewerbegebiet Nord. Im kommenden Jahr wird er an der Marienfelder Straße zu finden sein, direkt gegenüber des Haupteingangstors zur Princess-Royal-Kaserne An dieser Stelle investieren die britischen Streitkräfte 3,3 Millionen Euro in den Neubau eines »Naafi«-Shops, eines Einkaufszentrums nur für britischen Soldaten und deren Angehörige. Noch Mitte der neunziger Jahre stand der Shop an der Edison-Straße auf der Kippe. Die Garnison schrumpfte, der Umsatz auch. Das alles ist heute kein Thema mehr. 8160 Kunden zählt Markt-Manager Tony White (47) pro Woche. Mit der Versetzung weiterer Einheiten nach Gütersloh dürften es künftig noch mehr werden.
Der Kundschaft wird einiges geboten. Der neue Markt wird mit 1600 Quadratmetern die Fläche eines halben Fußballfeldes einnehmen. Weil der neue Supermarkt in der virtuellen Einflugschneise des nicht mehr genutzten Flughafens liegt, darf er nicht höher als sechs Meter werden. Der Gütersloher Architekt Reimund Heitmann hat die Fassade aus roten Klinker entworfen, der mit silbergrauen Platten kombiniert werden soll. Aluminium-Fenster verknüpfen die beiden Elemente. »Die britische Armee wünschte eine gehobene Architektur mit einer klaren und funktionalen Ansicht. Sie soll sich deutlich abheben von den Zweckbauten im Innern der Kaserne,« erläutert Heitmann.
Auf der Marienfelder Straße (B 513) wird von beiden Seiten aus eine Abbiegespur eingerichtet. Sie wird zusätzlich 300 000 Euro kosten. Mit dem Neubau soll im Juli begonnen werden, ein Jahr später ist die Einweihung geplant. Bauherr ist der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB).
Die »Naafi« (Navy, Army and Air Force Institutes) gibt es seit 1921. Sie versorgt britische Soldaten an allen Einsatzorten der Welt mit Waren aus dem Vereinten Königreich. Der Gütersloher Shop ist einer der sechs großen in Deutschland. Die anderen sind in Paderborn, Osnabrück, Fallingbostel, Hohne und und Rheindalen zu finden. Kleinere »Nachbarschaftsläden« gibt es unter anderem an den Armeestandorten in Herford und Bielefeld. »An den Wochenenden kommen auch Kunden aus diesen Städten zu uns nach Gütersloh,« sagt Tony White.
Die Auswahl ist hier eben größer. Gut 3000 Produkte zählt das Sortiment. Am besten geht - Milch. »Ich kann das auch nicht erklären. Aber unsere Kunden sind der festen Überzeugung, das englische Milch besser schmeckt als deutsche. Ich übrigens auch,« sagt Tony White schmunzelnd und hebt einen der Zwei-Liter-Plastikkanister hoch, die dreimal pro Woche aus England herbeigeschafft werden. Platz zwei auf der Hitliste der beliebtesten Produkte ist Brot - das weiche, britische Sandwich-Brot. Ein Gütersloher Bäcker versorgt die britischen Kunden mit deutschen Brötchen, Grau- und Vollkornbrot. Natürlich auch sonntags, denn der unter britischem Recht geführte Supermarkt hat auch an Sonntagen geöffnet.
Nestlé, Unilever, Procter & Gamble - Dutzende der bei der »Naafi« zu britischen Preisen angebotenen Produkte gibt es auch in Gütersloher Supermärkten - mitunter sogar günstiger. Doch das undefinierbare »Mincemeat«, die mehr als 20 verschiedenen Crisp (Chips)-Sorten, die von »Aunt Bessie« empfohlenen Schweinswürstchen im Blätterteig (»toad in the hole«), die Packungen mit vier großen, leckeren Yorkshire-Puddings (gefüllte Pasteten) oder die vielen verschiedenen Tesco-Saucen gibt es eben wirklich nur bei der »Naafi«. Junge englische Mütter kaufen lieber die englische Babynahrung als die deutschen Hipp-Gläschen: »Das ist eine Frage des Vertrauens. Wir sind damit aufgewachsen,« sagt Tony White. Medikamente gibt es natürlich auch zu kaufen, wie in englischen Supermärkten.
Jeder Kunde muss an der Kasse seine Einkaufskarte vorlegen. Ohne Karte keine Ware. Auf der Karte ist verzeichnet, wieviel Zigaretten, Whisky und Gin jemand kaufen darf. Sogar Kaffee ist kontingentiert. »Die Kontingente gehen auf das deutsch-britische Besatzungsstatut aus den fünfziger Jahren zurück. Es ist sicherlich überholt, doch wollte deswegen niemand die Verhandlungen über das Statut wieder aufnehmen,« teilt White mit.

Artikel vom 21.03.2006