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Meisterhaft gespielt

Münchener Kammerorchester in der Stadthalle

Von Johannes Zoller
Gütersloh (WB). Das nicht Fassbare wurde am Samstag spürbar, als das Münchener Kammerorchester im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Gütersloh 2006: Wolfgang Rihm« in der Stadthalle aufspielte. Der mit vielen Preisen gekrönte Komponist führte selbst in seine vier von dem Kammerorchester, der Sopran-Solistin Mojca Erdmann und dem Klarinettisten Jörg Widmann meisterhaft interpretierten Werke ein.

Zunächst stand »Nachtordnung - Sieben Bruchstücke für 15 Streicher (1976)« auf dem Programm. Die scheuernde Expressivität und prägnant ausbrechende Pizzicati des Kontrabassisten und das melancholisch bis in die Atonalität abflauende Spiel mit der Stille vermittelten eindrücklich Rihms »Traumlogik« oder »das plötzliche Aufkeimen von Ordnungen, die unvorsehbar waren.« Die Sopranistin Mojca Erdmann ließ im Anschluss die »Aria/Ariadne« auf der Grundlage des Textes der »Klage der Ariadne aus den Dionysos - Dithyramben« von Friedrich Nietzsche mit ihrer grandios vielseitigen Stimme erklingen. Die von zeitgenössischer Modernität bis in romantische Klangfärbungen reichende Komposition ertastete Erdmann mit ihrem warmen, malerisch flehenden und eindringlich bittenden, durch ungewohnte Klanggefilde führenden und bis in virtuos ausbrechende Rufe und Schreie führenden Gesang, den sie abschließend sanft in »Du bist mein Labyrinth« ersterben ließ.
Die Skizze für 13 Streicher »nature morte - still alive« resultierte nach penetranten, rhythmisch strengen und in ausgiebigen Kontinua, stellenweise wie abgewürgten Auf- und Abstrichen zum Abschluss wiederum in sehr leisen, harmonischen Quinten, die in einer noch stilleren, aus den Höhen hereinkeimenden Sekund verklangen.
Zum Abschluss schuf der Klarinettist Jörg Widmann durch seine einzigartig-geniale Interpretation von »Über die Linie 2« jenen durch seinen Atem erzeugten und gar das begleitende Orchester umarmenden Spannungsbogen, der äußerste Pianissimi, Crescendi und Fortissimi, dissonante Ab- und fast simultane Aufstiege, sich schrill steigernde Penetranz in den höchsten Lagen und ruhig abflauende, zu Pausen führende Modulationen zum einheitlichen Klangerlebnis werden ließ. Das eher spärlich erschienene Publikum würdigte mit nachhaltigem Applaus die Interpreten und den Komponisten.

Artikel vom 21.03.2006