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»Ein weiteres Zentrum darf es nicht geben«

Neuer Standort für den Aldi: WESTFALEN-BLATT-Interview mit Bürgermeister Klaus Besser

Steinhagen (WB). Die Aldi-Planung bleibt weiter offen. Der Haupt- und Finanzausschuss hat am Donnerstagabend das Kaufersuchen der Investorengruppe Heico GbR für ein Grundstück an der Patthorster Straße/Oberes Feld in nicht-öffentlicher Sitzung zwar zur Kenntnis genommen, aber noch keine Entscheidung getroffen.

Die solle erst fallen, wenn die derzeit laufende Rahmenplanung zur Ortskerngestaltung abgeschlossen sei, so die Fraktionen einstimmig. Eine Beratung gab es am Donnerstag nicht. Dennoch gibt es etliche Fragen in der Diskussion um die Erweiterungspläne des Aldi. WESTFALEN-BLATT-Redakteurin Annemarie Bluhm-Weinhold sprach mit Bürgermeister Klaus Besser.

Sie haben immer betont, den Aldi mitten im Ort ansiedeln zu wollen. Sind die Pläne jetzt vom Tisch? Wollten die Aldi-Bosse nicht oder haben die Stadtplaner abgeraten?
Der Aldi gehört meiner Ansicht nach in den Ortskern. Dazu zählen auch die Zentren rund um Jibi und Edeka. Einen Aldi am Ortsrand oder in einem Gewerbegebiet lehne ich nach wie vor ab. Aldi ist ein Markt in einer Größe von 700 bis 900 Quadratmeter mit ausreichend Stellplätzen wichtig, weniger die Lage. Die Suche nach einem Aldi-Standort ist aber auch nicht das Hauptziel, sondern nur ein »Nebenprodukt« der Rahmenplanung. Diese ist noch nicht abgeschlossen, die Diskussion in vollem Gange. Letztlich bedarf es politischer Entscheidungen, wie sich die Zentren weiter entwickeln sollen.

Mit dem Aldi-Neubau im Gebiet Niederwahrenbrock würde ein weiteres Außenzentrum entstehen. Wäre das nicht das endgültige Sterben des Ortskerns, das einige Bürger und Geschäftsleute ja schon seit geraumer Zeit befürchten?
Ein weiteres Zentrum darf es aus meiner Sicht nicht geben. Darin stimme ich auch mit dem Einzelhandelsverband und der IWS überein.

Andererseits: Ist nicht auch der Lidl-Markt schon zu weit entfernt, um eine fußläufige Verbindung zum Markt- oder Kirchplatz zu erlauben? Der Kunde muss sich ohnehin ins Auto setzten, ein paar Meter mehr bis zu einem Aldi bei Niederwahrenbrock spielen da doch keine Rolle.
Der Lidl ist 300 Meter von der Kirche entfernt, das Grundstück neben Gehle aber schon 500. Dem Bau des Lidl wurde ja seinerzeit vom Bauausschuss zugestimmt, um Schlecker und dem Aldi am jetzigen Standort Expansionsmöglichkeiten zu eröffnen, auf den Flächen oberhalb wurde Einzelhandelsnutzung ausgeschlossen, um eine Weiterentwicklung des Geschäftszentrums vom Ortskern weg zu verhindern.

In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Gespräche zur Belebung des Ortskerns stattgefunden - nun das erneute Bemühen der Investoren um einen Aldi im Außenbereich. Ganz unterschiedliche Interessen: Bringt man die zusammen?
Möglichen Investoren muss man Planungsangebote in allen drei Bereichen (Edeka, Jibi, Marktplatz) eröffnen. Zur Zeit gibt es hier noch sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Am Jibi gibt es anders als im Bereich Edeka sehr strenge Flächen- und Sortimentsbegrenzungen im Bebauungsplan.

Die Rahmenplanung für den Ortskern läuft noch einige Zeit. Dauert sie für den Aldi nicht schon zu lange, riskiert man nicht die Abwanderung?
Nein. Nach meinen Informationen hat der Aldi einen langfristigen Mietvertrag und ich glaube nicht, das er den Standort Steinhagen Mitbewerbern überlässt. Es würde andererseits keinen Sinn machen, den unmittelbar bevorstehenden Ergebnissen der Rahmenplanung, die ja Geld kostet, vorzugreifen. Schließlich ist ja ein breiter öffentlicher Diskussionsprozess mit allen Beteiligten gewollt und nicht ein Beschluss im stillen Kämmerlein.

Viele Bürger vermissen eine klare Struktur in der Steinhagener Ortsgestaltung, beklagen, dass die Gemeinde verbaut ist. Hat man nicht gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit?
Erstmal ist ja nicht alles falsch oder schlecht. Städteplanung und Stadtentwicklung ist ein ständiger Prozess. Vor 30 Jahren sah der Einzelhandel ganz anders aus. Ich erinnere nur an den Elli-Markt am Kirchplatz. Die Rahmenplanung kann Ideen bündeln und Lösungen aufzeigen, die Bauausschuss und Rat als Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Entwicklung des Ortskerns dienen.

Wenn der Aldi ins Gebiet Niederwahrenbrock zöge, müsste der Bebauungsplan geändert werden, um großflächigen Einzelhandel zu gestatten. Das spräche nicht für die Verlässlichkeit der Gemeinde in Planungsdingen.
Jedenfalls würde es eine völlige Abkehr von der bisherigen Position, Einzelhandel in Gewerbegebieten nicht zuzulassen, bedeuten. Auch gegenüber dem Alteigentümer bliebe ein fader Beigeschmack. Er hat die Flächen der Gemeinde 1999 schließlich als Gewerbeflächen und nicht als Einzelhandelsflächen verkauft. Eine Bebauungplanänderung hat immerhin den großen Vorteil, dass alle - Nachbarn, Investoren, Mitbewerber, Bürger - Bedenken und Anregungen vortragen können, über die öffentlich beraten wird.

Artikel vom 18.03.2006