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Als die Ritter noch in Haldem lebten

Spannendes aus der Geschichte - Dullweber und Staake begeistern

Von Sandra Knefel
Haldem (WB). Was spielte sich in den vergangenen Jahrhunderten hinter den Mauern der heutigen Klinik Schloss Haldem ab? Eine »Geschichtsstunde« der etwas anderen Art widmete sich dieser Frage.

Die Besucher erwartete in den Räumen des Schlosses kein trockener Vortrag von Daten und Fakten, sondern ein Abend, der mit Geschichten und Liedern in die Zeiten zurückversetzte, als noch Gutsherren, Ritter und Generäle auf Schloss Haldem weilten. Geschichte einmal anders: lebendig, menschlich und - plattdeutsch.
Der ehemalige Haldemer Pastor Wilhelm Dullweber und der Sänger und Gitarrist Wilfried Staake aus Winsen nahmen die Zuhörer mit auf einen Ausflug durch die 770-jähige Geschichte des Schlosses. Sie ließen - mal amüsant, mal nachdenklich stimmend - aufleben, was sich Knechte und Mägde des Schlosses wohl erzählt, was sie gesungen haben könnten. Auf »Platt« wurde abwechselnd in Wort und Musik an vergangene Zeiten erinnert.
Staakes Bedenken, ob die Zuhörer sein »niedersächsiches Plattdeutsch« verstehen könnten, waren schnell verflogen: Viele kannten die alten Melodien und plattdeutschen Texte noch von früher und konnten die Lieder mitsingen. Was der Musiker vortrug, war mal leicht und heiter, dann wieder ruhig und melancholisch oder romantisch-verträumt. In den Liedern ging es auch um Menschen, wie sie früher auf Schloss Haldem gelebt haben könnten. Wie zum Beispiel Anna-Sophia, die Bedienstete, die keine Lust zum Arbeiten hat.
»Früher kamen fahrende Sänger zu den Menschen, um ihnen Neues zu erzählen - heute erzähle ich etwas Neues von früher«, sagte Dullweber, der sichtlich in seinem Element war. Und so nahm er die Gäste mit durch die Jahrhunderte. Er hatte Chroniken durchstöbert und war dort auf allerlei interessante historische Fakten, Anekdoten aus dem Alltag und auch auf Legenden gestoßen. Dullweber berichtete, »wie datt denn hier so wesen iss«, was man sich damals erzählte in Haldem. Die Gäste hörten von der Stemweder Heidelandschaft, von Bauern, Rittern, Schafen und trinkfesten Gutsherren oder wurden über die Ursprünge von Orts- und Straßennamen aufgeklärt.
Doch nicht nur aus alten Büchern hatte er Interessantes zusammengetragen: Er gab Geschichten weiter, die über die Generationen lebendig geblieben sind und ihm während seiner Zeit als Pastor in Haldem immer wieder erzählt wurden.
Der Name von der Horst ist nicht wegzudenken aus Haldem. 1328 wird Ritter Gerold von der Horst vom Mindener Bischof mit den Tafelgütern in Haldem belehnt. Bis 1830 residiert diese Familie im Ort, sorgt für den Wiederaufbau des im 30-jährigen Krieg zerstörten Schlosses und bewegt dort Vieles, bis das Schloss an den preußischen General von dem Bussche-Ippenburg verkauft wird und erst Anfang des 20. Jahrhunderts wieder in den Besitz der Familie von der Horst übergeht.
»Es gab auch wechselhafte Zeiten im Schloss«, berichtet Dullweber und erzählt von Steinecker, dem Fremden, der zwischenzeitlich die Familie von der Horst verdrängte, sich im Schloss »ins gemachte Nest setzte« und kein angenehmer Gutsherr war. »Das Leben hier war nicht immer einfach«, erklärt Dullweber, »Haldem war damals keine gute Gegend für die Bauern.« Um Schloss Haldem und seine Bewohner ranken sich viele mythenhafte Legenden, wie man sie vielleicht aus dem keltischen England kennt. Haldems Ursprünge sind keltisch, und so trifft man auch in Stemwede auf Geschichten von Riesen im Stemweder Berg.
Die besondere »Geschichtsstunde« - eine Verbindung von Musik, historischen Fakten und Fiktionen der Legenden - begeisterte das Publikum. Wilhelm Dullweber ist ein Geschichtenerzähler, das hat er ein weiteres Mal bewiesen. Er ist ein Stemweder Urgestein, dem die plattdeutsche Sprache sehr am Herzen liegt: »Plattdeutsch ist seit 1998 anerkannte Regionalsprache. Wir müssen sie weiterhin sprechen und pflegen, damit sie nicht untergeht. Alte Gebäude kann man flicken, um die Sprache muss man sich mehr kümmern.«
Mit Wilfried Staake stand Dullweber ein Gleichgesinnter zur Seite, der - wie der Pastor durch seine Geschichten -Êmit der Musik dafür sorgt, dass das Plattdeutsche lebendig bleibt.

Artikel vom 20.03.2006