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Das Wort zum Sonntag

 Von Jugendreferent Gerhard Sauerbrey, Rahden


»Ich denke an die vielen Jugendfreizeiten, die ich in den vergangenen Jahren im Rahmen der Jugendarbeit unseres Kirchenkreises geleitet habe. Wenn sich junge Menschen begegnen, dann entstehen auch Freundschaften und Liebschaften. Er hat ein Auge auf sie geworfen oder ihr schöne Augen gemacht, hieß es dann. Umgekehrt galt das gleiche. Manche Freundschaften wurden schon während der Anreise geschlossen und manche nach der Rückkehr auch schnell wieder beendet. Aus den Augen, aus dem Sinn, hieß es dann. Man hatte sich schnell aus den Augen verloren, was nichts anderes heißt als: Man ist sich nicht mehr begegnet und hatte auch keinen Kontakt mehr zueinander.
Verhielt sich jemand besonders auffällig, dann hieß das unter den Verantwortlichen: Den ... oder die ... müssen wir im Blick behalten und sollte heißen, darauf müssen wir besonders aufpassen. »Pass auf« sagen wir und meinen: Schau hin, konzentriere dich, wenn es etwas wichtiges mitzuteilen gibt. »Aufgepaßt«!, heißt es im Straßenverkehr, wo Augenblicke darüber entscheiden, ob es zum Crash kommt oder nicht.
Er oder sie hat nicht aufgepaßt und dann war der Unfall passiert. Es ist also nicht egal, wohin ich schaue, worauf sich meine Blicke richten. Weil das Auge unser wichtigstes Wahrnehmungsorgan ist, werden symbolisch damit wichtige Aussagen verbunden. Es wird zum Synonym für wichtige Mitteilungen.
Der morgige Sonntag trägt mit seinem Namen »Oculi« eine solche Botschaft in sich und bedeutet: Meine Augen sehen stets auf den Herrn. (Psalm 25,15). Dahinter steht, wie in vielen Aussagen der Psalmen, eine wichtige Lebenserfahrung: Ich will Gott nicht aus den Augen verlieren.
Gott im Auge behalten soll heißen: Er findet Platz in meinem Denken und Handeln. Als in Israel der König David Gott aus den Augen verlor, kam es zu den Brüchen seines Lebens. Der Prophet Nathan hat ihm den Kopf zurecht gesetzt und seinen Blick wieder auf Gott gerichtet. Von David bis heute läßt sich nachvollziehen: Wo Gott nicht mehr im Blick ist, gerät auch der Mensch ins Abseits. Bei David war es sein Feldherr Uria, dessen Leben ihm nichts mehr wert war. Mit der Globalisierung unserer Zeit geht Hand in Hand die Ökonomisierung des Menschen. Wo Börsenkurse und Managerabfindungen wichtiger werden als das Schicksal hunderter Arbeiterinnen und Arbeiter, da stimmt etwas nicht mehr in der Blickrichtung.
Die Erfahrung eines Kirchenvaters war: Wer in Gott eintaucht, taucht an der Seite der Bedürftigen und Armen dieser Welt wieder auf. Wer auf Gott schaut, bekommt auch den Menschen, seinen Nächsten in den Blick. Der Sonntag Oculi will uns den Blick dafür öffnen.

Artikel vom 18.03.2006