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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hanno Paul


Als Krankenhauspfarrer werde ich häufiger gefragt, ob ich nicht jemandem helfen könnte, eine Patientenverfügung zu verfassen: »Ich möchte nicht hilflos an 1000 Schläuchen hängen«, höre ich dann, oder: »Mein Leben soll nicht nur von Maschinen abhängig sein, da kann man doch heute Vorsorge treffen.«
Stimmt. Man kann heute eine Patientenverfügung verfassen. Darin stelle ich mir vor, was einmal sein könnte, wenn ich nicht mehr für mich selbst sprechen kann, und schreibe auf, welche Behandlung ich dann in welcher Lage haben möchte oder eben nicht. Das kann dann von dem Wunsch reichen, zumindest in der allerletzten Lebensphase auf jegliche Lebensverlängerung zu verzichten, bis hin zu so einer weitreichenden Entscheidung wie die, im Falle einer fortgeschrittenen Alzheimer Demenz die künstliche Ernährung durch eine Magensonde zu verbieten, auch wenn ich dadurch verhungere. Und man kann im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung Menschen benennen, die dann mit Vollmacht für mich sprechen können.
Eine Schwierigkeit besteht natürlich darin, sich in guten Zeiten vorzustellen, wie ich mich unter ganz anderen Lebensbedingungen wirklich fühlen würde (manche Menschen schaffen es ja durchaus, auch in solchen Lebenssituationen wieder gern zu leben, die sie vorher als unerträglich fantasiert haben) oder sich ernsthaft mit den dann möglichen Alternativen auseinanderzusetzen. So ist dann manchmal die Anfrage nach einer Patientenverfügung auch nur der Wunsch, es möge am Ende schon alles gut werden.
Und da kommt mir das Gleichnis vom reichen Kornbauern in den Sinn: Die Äcker eines reichen Mannes haben gut getragen, so dass sein Lagerplatz nicht mehr ausreicht. Also lässt er neue Scheunen bauen und spricht zu sich selbst: »Nun habe ich einen Vorrat für viele Jahre und kann essen und trinken und frohen Muts sein.« Recht gedacht, könnte man meinen, doch Jesus antwortet ihm: »Du Narr! Noch diese Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du da angehäuft hast?«
Ich weiß nicht, ob Sie die Parallelen sehen. Es spricht ja nichts dagegen, Scheunen zu bauen, wenn man eine reiche Ernte eingefahren hat, alles andere wäre eher unverantwortlich. Aber es spricht alles dagegen, zu glauben, diese Vorsorge garantiere mir ein langes glückliches Leben.
So ist das auch mit der Patientenverfügung: Es ist sehr sinnvoll, sich mit der Möglichkeit der eigenen Krankheit und des eigenen Sterbens auseinanderzusetzen und darüber auch mit seinen Angehörigen zu sprechen. Und wenn ich dabei merke, mir sind da Dinge wichtig, die nicht automatisch passieren werden, dann ist es gut, meine Wünsche schriftlich festzuhalten, um den anderen Klarheit zu geben, wie sich mich behandeln sollen.
Doch der entscheidende Schritt bleibt, Vertrauen zu entwickeln. Vertrauen in die Menschen, die mich dann versorgen und begleiten werden, und Vertrauen in Gott, dass er mich führen und am Ende liebevoll in seine Arme schließen wird. Erst mit so einem Vertrauen, habe ich eine Grundlage, dass mein Sterben gelingen kann.

Artikel vom 18.03.2006