18.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Annette von Alemann schwärmt für Krimis. Foto: Schulze

Der Krimi als soziologisches Modell

Annette von Alemann empfiehlt Celia Fremlin - Literaturtipp 17


Bielefeld (sas). Erstmals haben Wissenschaftler der Universität in diesem Semester Literaturtipps für Studienanfänger gegeben: Romane, Sachbücher oder Krimis legen sie ihnen ans Herz. Wir veröffentlichen einige dieser Empfehlungen - wie die von Annette von Alemann.
Die Soziologin liebt Krimis - am liebsten amerikanische oder englische, die sie auch gerne im Original liest. Eine der Autorinnen, die sie besonders schätzt, ist Celia Fremlin. »Die Eifersüchtige« ist der Titel, den Annette von Alemann ausgewählt hat: ein Buch, in dem gut beobachtet und gut beschrieben das Gewirr von Konventionen einer Gesellschaft deutlich werde.
»In Krimis sieht man eigentlich sehr schön, wie Gesellschaft funktioniert, wie das Zusammenleben nach bestimmten Regeln - offiziellen und inoffiziellen - funktioniert und wie die Gesellschaft reagiert, wenn jemand zuwiderhandelt.« Die, die in diesem Buch zuwiderhandelt, ist Rosamund, die einzige Frau in einem Londoner Vorort, die auf die neue Nachbarin Lindy mit Ablehnung reagiert. Dabei macht Lindy alles richtig und versteht es mit Geschick, jedermann für sich einzunehmen. Sie weiß eben, was die Menschen gerne hören. Auch Rosamund mag die Neue zunächst - bis sie bemerkt, dass ihr Ehemann etwas zu sehr auf Lindy reagiert. Ablehnung und Eifersucht kochen in ihr hoch, die Umwelt reagiert mit Unverständnis. Der Konflikt um die neue Nachbarin spitzt sich zu...
»Beziehungsgeflechte dieser Art gibt es überall, die Konventionen und Normen der englischen Mittelschicht unterscheiden sich nicht sehr von denen in Bielefelder Vororten«, meint Annette von Alemann. Was man tut und was man eben nicht tut, ist sehr ähnlich. Und insofern, meint die Wissenschaftlerin, seien die Krimis von Celia Fremlin ungemein soziologische Bücher.
Aktuell liest Annette von Alemann, die zwischen Köln und Bielefeld pendelt, gerade drei Bücher: In Bielefeld liegt auf dem Nachttisch »The Winds of Change« von Martha Grimes, in Köln liest sie vor dem Einschlafen »Wer die Nachtigall stört« von Harper Lee, und auf den Zugfahrten greift sie zu Marga Bergs »Briefen aus Lesmona«.

Artikel vom 18.03.2006