17.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Flug durch den Zauberwald

AWO-Kindertagesstätte Laubfrosch fördert die Psychomotorik

Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die Turnhalle der AWO-Kindertagesstätte Laubfrosch ist verdunkelt. Aus einer Höhle kommt Licht. Hindernisse machen den geraden Weg unmöglich. Sophia, Katharina und Roni, alle gerade mal vier Jahre alt, hangeln sich an einem Seil auf Rollbrettern durch die »Flughöhle« - immer darauf bedacht, den Vulkanen auszuweichen. Das ist ein Abenteuer und ein Spiel - vor allem aber wird die Bewegung, der Gleichgewichtssinn und die Wahrnehmung gefördert.

Die Abenteuer im Zauberwald verdanken die 75 Kinder im »Laubfrosch« Tanja Bokermann, die ihr Anerkennungsjahr absolviert. Die 24-Jährige hat die Ausbildung zur Erzieherin im AWO-Berufskolleg mit dem Schwerpunkt Psychomotorik gemacht. »Heutzutage können Kinder kaum noch allein draußen spielen. Früher lernten die Kinder, auf Baumstämmen zu balancieren. Sie haben es einfach so lange versucht, bis es geklappt hat.« Das hat den Gleichgewichtssinn, die Beweglichkeit und die Kraft geschult. Die Möglichkeit besteht heute immer weniger - die Probleme in diesen Bereichen nehmen zu. »Bei der Schuluntersuchung hat sich gezeigt, dass auffällig viele Kinder Probleme mit der Feinmotorik haben«, berichtet Gabriele Eisenhuth, Leiterin der AWO-Kindertagesstätte Laubfrosch. Und die sei wichtig, um in der Schule Schreiben zu lernen. Aber auch weitere Wahrnehmungsspiele macht Tanja Bokermann mit den Kindern. Ihnen werden die Augen verbunden und sie müssen orten, aus welcher Richtung das Geräusch einer Rassel kommt. Die Kinder fühlen im Dunkeln, in der »Zauberhöhle« nach Tüchern. Für die Kinder ist das Ganze kein Test, keine Prüfung, sondern ein Spiel. Und indem es immer wieder gespielt wird, verbessern sich die Fähigkeiten ständig. Fünf Angebotseinheiten bietet die Erzieherin an - dabei wird es immer ein bisschen anspruchsvoller. Der Effekt erstaunt selbst die Fachkräfte: Ein Junge, der sich nicht traute, auf einer Bank zu balancieren, macht das jetzt ganz mutig sogar mit einem Joghurtbecher auf dem Kopf. Er hält somit nicht nur das Gleichgewicht, bewegt sich dabei, sondern koordiniert auch noch, dass der Becher nicht von seinem Kopf fällt.
Mit der zauberhaften Geschichte aus dem Fachbuch »Die Abenteuer der kleinen Hexe«, in der der Zauberbesen und der Rabe »Plumps« eine große Rolle spielen, lernen die Kinder, ihre Welt zu begreifen - im Wortsinn. »Kinder müssen selbst fühlen, ausprobieren, greifen und damit begreifen«, sagt Gabi Eisenhuth. Das Entdecken sei die Vorstufe zum Verstehen. Anreize und Impulse müssten geschaffen werden. »Früher haben sich das Kinder selbst erarbeitet.«
Der Rabe »Plumps« ist - wie der Name schon sagt - vor dem Kindergarten gelandet und möchte von den Kindern zurück gebracht werden. So finden die Kinder Briefe, die den Kindern Tipps geben, wie sie das bewerkstelligen können. »So lernen die Kinder, Aufgaben zu verstehen und zu lösen«, sagt Eisenhuth.
Eine Turnhalle ist eine Turnhalle - das wissen auch die Kinder. Aber wenn sie dann drinnen sind, wird sie zum Zauberwald. »Alle Erzieherinnen sind begeistert, welche Motivation und welcher Wille in den Kindern steckt, etwas zu schaffen oder eine Aufgabe zu lösen. Und wenn sie es schaffen, stärkt das ungeheuer ihr Selbstbewusstsein.« Erlebnisorientiert wird in Gruppen mit vier Kindern gearbeitet. So kann jedes Kind nach seinen Bedürfnissen gefördert werden. In größeren Gruppen fällt es schließlich machmal gar nicht auf, wenn sich Kinder um Aufgaben herum lavieren, die sie sich nicht zutrauen.
»An dieser Stelle ist es wichtig, dass das Bewegungsbedürfnis der Kinder in den Kindertagesstätten aufgegriffen wird und im Alltag Situationen zum eigenen Entdecken geschaffen werden«, sagt Gabi Eisenhuth. Innenräume und Außengelände werden so gestaltet, dass Kinder angeregt werden. Aber wichtig sei auch, die Kinder gezielt zu beobachten, um individuelle Fördermöglichkeiten zu entwickeln. In der Fachsprache heißt das Psychomotorik, weil die Bewegung und Beweglichkeit nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Entwicklung und die sinnliche Wahrnehmung fördert.

Artikel vom 17.03.2006