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Dornröschen schläft noch

Blick durchs Schlüsselloch in die ehemalige Obermeier-Villa

Von Monika Schönfeld
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die Weisen der Volksmusik von Marianne und Michael aus den Hallen nebenan sind verstummt. Auch werden die Kunden nicht mehr busseweise in die angeblich »Lippische Schweiz« gekarrt, um dort Lama-Decken vom Bettenkönig zu kaufen. Seit zehn Jahren schlummert das Haus im Dornröschenschlaf. Wachgeküsst haben es Henrik Lummer und Wolfgang Pohl, die das Haus an der Helleforthstraße 64 aus der Insolvenzmasse der »FDO« (Friedrich und Doris Obermeier) gekauft haben.

Der Vergleich mit einem Dornröschenschloss ist wörtlich zu nehmen. Hohe Mauern mit einem hohen Holzzaun und Ranch-Toren schirmen das Anwesen von den Blicken der Öffentlichkeit ab. Wer das Tor öffnet, steht vor einer Fassade, die nichts Besonderes vermuten lässt. Ein Haus eines Betriebsleiters eben - ziemlich hoch, aber ansonsten recht unspektakulär. »Aus den Steinen auf den Wegen wuchsen bereits Bäume, alles war zugewuchert«, berichtet der Unternehmer Henrik Lummer. Da war erst einmal richtige Handarbeit angesagt. Schließlich sollten 300 Gäste schon mal einen Blick zur Silvesterparty hinein werfen, um das Ambiente des Bettenkönigs live zu erleben.
Ebenerdig lässt die Größe der Hallen den einstigen Reichtum der Obermeiers vermuten. Die Halle des Versands ist dunkel, die Tische aus der Näherei stehen hier noch, einige Holzstühle und Matratzen, die Obermeier damals zurückgenommen hatte. Was rechts vom Eingang in der gekachelten Garage gestanden hat, weiß Lummer genau, schließlich hat er täglich mit ausgefallenen Autos zu tun. »Hier standen zwei Lamborghini und ein Porsche Cabrio. Die anderen der 14 exotischen Autos standen dort«, zeigt er auf eine weite Carportanlage. Inzwischen trennt eine Mauer das Haus von den Hallen und Parkplätzen der Busse. Dort finden öfter mal türkische Hochzeiten und andere Großveranstaltungen statt. Zum Obermeier-Grundstück gehört das alles nicht mehr.
Hier war die Wohnung der Tochter - wenig aufregend. Nachträglich habe sich Obermeier einen Weinkeller eingebaut. Ein fast mannshohes Weinfass hat überdauert, die Spinnen haben den Keller besetzt und ihre Fangnetze gewebt. Unten wirkt alles rein geschäftsmäßig, spannend wird es erst eine Etage höher. Ins Auge fällt die Freitreppe aus Eiche, in die der österreichische Schnitzer die zwölf Apostel verewigt hat. Angeblich soll allein die Treppe 1983 um die 600 000 Mark gekostet haben. Ein Kachelofen in der Diele wurde in die Mitte zwischen drei Räume gesetzt. Von hier geht das offene Wohnzimmer ab, vom »Abrechnungsraum« nebenan hatte der Chef einen guten Blick auf die Hallen.
Die obere Etage ist allerdings der Clou, der jeder Schönheitsfarm oder einem Wellness-Center zur Ehre gereichen könnte. Die ganze Etage besteht aus einem 1,40 tiefen Schwimmbecken, einer weiß-goldenen Theke. Natürlich gibt es einen eigenen Friseur-Raum, eine Dampfsauna, ein Badezimmer, gegen das manches normale Wohnzimmer klein wirkt. Die Dusche ist viertelrund abgemauert, ein Whirlpool steht auf einem Podest. Verzierungen aus Blattgold verschönern die weiß gekachelten Wände.
Die Wände des Schlafzimmers seien mit weißer Seide bespannt gewesen, berichtet Henrik Lummer und zeigt auf das Ankleidezimmer, das beinahe noch mal so groß ist. Nur den »Thron«, auf dem einmal die Toilette stand, den hat Friedhelm Obermeier mitgenommen, als er ausgezogen ist.
Das Grundstück ist auf 1500 Quadratmeter verkleinert worden, die Wohnfläche mit 800 Quadratmeter bleibt. Ideal für ein Wellness-Center, für einen Physiotherapeuten, der seinen Kunden Ambiente bieten möchte. Oder eben für einen Swinger-Club. Dieses Ansinnen eines potentiellen Investors hat die Stadt aus Bebauungsplan-rechtlichen Erwägungen abgelehnt. Der Investor hat den Rechtsweg beschritten. Mal sehen, was daraus wird.

Artikel vom 17.03.2006