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Einfach ein wenig Zeit schenken

Stadt bildet seit Januar Pflegebegleiter aus - Ziel ist Nachbarschaftshilfe

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Für Pflegebedürftige wird viel getan, für die Menschen, die sie umsorgen, viel zu wenig. Das soll sich zumindest in Paderborn ändern. Hier werden seit Jahresbeginn Pflegebegleiter ausgebildet.

Die Krankenschwester und Diplom-Sozialarbeiterin Hiltrud Greitemann arbeitet im Tagespflegehaus St. Kilian der Caritas und kennt die Nöte der Angehörigen, die oft jahrelang den schwerkranken Opa oder die demente Großtante in ihrer Familie betreuen. »Eine Frau erzählte mir, sie wäre so gern mal ins Theater gegangen«, berichtet Greitemann, »eine andere hätte sich Hilfe bei den Ämterbesuchen gewünscht«. Ab Juli können solche überlasteten Menschen auf Hilfe durch einen Pflegebegleiter bauen.
Hiltrud Greitemann (45) und und ihre Mitstreiterin Ruth Wichmann (34) haben für Paderborn ein Konzept für die Ausbildung und Begleitung dieser modernen Samariter entwickelt. Es ist eingebunden in das Bundesmodellprojekt Pflegebegleiter, das wissenschaftlich gestützt und von den Spitzenverbänden der Pflegekassen gefördert wird. Ziel ist es, ein neues nachbarschaftliches Verständnis in der Gesellschaft zu entwickeln, und die eigentlich selbstverständliche Unterstützung von Menschen in Notsituationen nicht allein den Institutionen zu überlassen.
Seit Januar bilden Greitemann und Wichmann, sie ist Arzthelferin und ebenfalls Diplom-Sozialarbeiterin von Beruf, 18 Frauen und Männer als ehrenamtliche Pflegebegleiter aus. Sie treffen sich an sechs Wochenenden, um sich auf ihren Einsatz, dessen Umfang sie selbst bestimmen, vorzubereiten. Die wichtigsten Voraussetzungen, die sie mitbringen, sind Kontaktfreude und Eigeninitiative, denn ihre Klientel werden sie sich selbst suchen. Die beiden Projekt-Initiatorinnen können Hinweise von Heimen und Pflegediensten auf besonders dringende Einsatz-Fälle weitergeben, eine Adressenliste führen sie nicht: Sie wollen keine neue Organisation betreiben, sondern lediglich Impulse für eine aktive Nachbarschaftshilfe geben.
Hiltrud Greitemann versteht den Pflegebegleiter als »Herzenshörer«, als jemanden, der vielleicht einfach nur da ist und dadurch den Angehörigen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Manchmal genüge es auch, mit einem Pflegenden, der im Laufe der Jahre persönliche Kontakte verloren hat, bei einer Tasse Kaffee zu plaudern. »Der Pflegebegleiter soll seinem Klienten keine Arbeit abnehmen, sondern ihn in seiner Aufgabe seelisch stärken, damit er sie weiter erfüllen kann«, verdeutlicht Ruth Wichmann.
Jeder einzelne muss dann für sich entscheiden, ob er einem Angehörigen darüber hinaus Zeit schenkt: Einen Abend lang die bettlägerige Oma hüten, damit die Tochter einmal ins Theater gehen kann, oder im Auftrag eines Unkundigen Verhandlungen mit den Kassen führen, damit die finanzielle Unterstützung der Familie gesichert bleibt.
Die 18 Pioniere in der Pflegebegleitung haben ihre erste Praxiserfahrung im Tagespflegehaus St. Kilian gesammelt. Sie sind zwischen 24 und 62 Jahre alt, kommen aus allen Bevölkerungsschichten und Branchen. Das Interesse an der Ausbildung ist so groß, dass Greitemann und Wichmann schon einen zweiten Kursus geplant haben (Ruf 05251/88-2053 oder 88-1823).
www.pflegebegleiter.de

Artikel vom 17.03.2006