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Die Schweigebarriere
wird überwunden

Theaterstück greift Sterbeproblematik auf

Espelkamp (hek). Mit wem soll er sprechen, wenn resignierte Ohren auf taub stellen? Wie soll er Kraft schöpfen, wenn sich nicht einmal die Eltern ihrer Angst zu stellen? - Am Sonntag wurde dem Unausgesprochenen und oftmals Unaussprechlichen Ausdruck verliehen: Die Lesung »Oskar und die Dame in Rosa« im Neuen Theater setzte sich mit der Sterbeproblematik auseinander.

Oskar ist gerade einmal zehn - ein Alter in dem eigentlich noch alles vor ihm läge. Doch ihm bleibt nicht viel Zeit: Der Junge hat Leukämie. Chemotherapie und Knochenmarkstransplantation sind gescheitert - aus medizinischer Sicht ist er ein hoffnungsloser Fall. Resignation spiegelt sich in den Augen der Erwachsenen wider.
»Das Krankenhaus ist spitze, wenn man ein Kranker ist, der Freude macht. Ich mache keine Freude mehr«, schreibt der Junge in einem seiner Briefe. Er habe das Gefühl, die Ärzte durch die Aussichtslosigkeit seines Falles zu enttäuschen. Er sei ein schlechter Kranker, »ein Kranker, der einem den Glauben daran nehme, dass die Medizin etwas Tolles sei«. Bei den Eltern findet Oskar keine Zuflucht. Traumatisiert vom Schicksal ihres Sohnes, wagen sie nicht, seine und ihre Ängste anzusprechen. Stattdessen vertiefen sich ihre Blicke in die Anleitungen der unzähligen Spiele, mit denen sie ihr krankes Kind überhäufen. Seine Eltern seien »Feiglinge«. Schlimmer noch: Sie seien »Feiglinge, die ihn für einen Feigling hielten«. Hinter einer Mauer des Schweigens staut sich Wut und seelische Einsamkeit an. Erst die »Dame in Rosa« (Therese Berger) oder »Oma Rosa«, wie Oskar sie liebevoll nennt, wagt die Barriere der Sprachlosigkeit zu durchbrechen: Sie arbeitet als freiwillige Betreuerin auf der Kinderkrebsstation.
Die »erbarmungslose« Aufrichtigkeit im Umgang mit dem kranken Jungen erstickt nicht etwa seinen Lebensmut, sondern vermag diesen zu stärken. »Von heute an wirst du jeden Tag so leben, als würde er zehn Jahre zählen«, lautet Oma Rosas Zauberformel. Im Zeitraffer erlebt Oskar die Pubertät und seine erste große Liebe mit einem Mädchen, das ebenfalls im Krankenhaus liegt. Doch mit dem Verstreichen eines jeden wertvollen Tages schwindet die Kraft. Der Schmerz sei unausweichlich, stellt Oma Rosa fest. Aber er selbst könne wählen, ob er seine kostbaren Tage, den Gedanken an den Tod opfern wolle. Nach einem kurzen, aber intensivem Leben stirbt Oskar.
Die szenische Lesung orientierte sich an der Erzählung des französischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt. Sein Werk fügt sich aus mehreren Briefen zusammen, die der krebskranke Protagonist an den »lieben Gott« richtet. Einfühlsam, verständnisvoll, aber niemals sentimental näherte sich Therese Berger in ihrem Solopart der Thematik. In der Rolle der »Oma Rosa« las sie aus Oskars Briefen.
Veranstaltet wurde die Lesung zum zehnjährigen Bestehen der Hospiz-Initiative Espelkamp. Sterbende und kranke Menschen sowie die Angehörigen begleiten und ihnen in ihrer Trauer beistehen - dieses Ziel habe man sich gesetzt, betonte die Vorsitzende Edeltraud Herrmann. »Wir sind keine stationäre Einrichtung, sondern gehen in die Häuser, Altenheime und Krankenhäuser«, beschreibt sie das Einsatzfeld ihrer ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter. Das Theaterfoyer wurde kostenlos zur Verfügung gestellt. Hiermit wolle man das Engagement der Hospiz-Initiative würdigen, so Manfred Steinmann, Vorsitzender des Volksbildungswerkes.

Artikel vom 15.03.2006