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»Pioniere des Gesundheitsmarktes«

Prof. Dr. Norbert Walter beendet Zahnärztetag mit provokanten Thesen

Altkreis Halle (ag). Staatliche Regulierung der Leistungen im Gesundheitswesen? Für Prof. Dr. Norbert Walter ein Graus. Das machte er bei seinem Festvortrag zum 52. Zahnärztetag Westfalen-Lippe in der Stadthalle Gütersloh mit klaren Worten deutlich.

Und allzu viel Zeit sollte man sich nach Meinung des Chefvolkswirts der Deutschen Bank mit einer grundlegenden Systemveränderung besser nicht lassen, denn sowohl die demographische Entwicklung in Deutschland als auch der noch immer rasante medizinische Fortschritt ließen den Gesundheitssektor zu einem Wachstumsmarkt werden. Wenn dieser Markt, so Walter, nicht durch den Staat »rationiert, gedeckelt und gefesselt« würde, dann könne Deutschland aus dem Problem der raschen Überalterung wirtschaftlichen Nutzen ziehen. »Wir müssen den Weg gehen, die Gesundheit in die Hände und in die finanzielle Verantwortung der Individuen zurückzulegen.« Im Klartext heißt das für Walter, dass eine obligatorische Krankenversicherungspflicht zwar bestehen bleiben sollte, dass der Patient für bestimmte Leistungen aber auch verstärkt selbst zahlen müsse. Dies würde jedem Einzelnen auch einen »Anreiz zu gesundheitsförderndem Verhalten« bieten. Wer beispielsweise einer gefährlichen Sportart fröne, der solle für etwaige gesundheitliche Schäden auch alleine aufkommen.
Gleichzeitung müsse der Gesundheitssektor rundum privatisiert werden, um Spezialisierung, Wettbewerb und Kundenorientierung zu entwickeln. »Der Staat ist nun mal nicht der beste Anbieter«, ist sich Prof. Dr. Walter sicher.
Da die Überalterung der Bevölkerung in anderen europäischen Ländern erst später einsetzen werde, sieht Walter in Sachen Spezialisierung und Innovation die Möglichkeit, dass Deutschland international eine Vorreiterrolle in Bezug auf neue Konzepte im Gesundheitswesen - unter anderem im Bereich des immer wichtiger werdenden Pflegesektors - spielen könnte. »Dann wären wir Pioniere des Gesundheitsmarktes«, sagte Walter emphatisch.
Andererseits machte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank auch deutlich, dass ihm der demographische Wandel keineswegs behage. So ließ er sich in seinem Vortrag zu einem längeren Exkurs hinreißen, in dem er die Rückkehr zu familiären Werten forderte. Er warf der zunehmend kinderlosen Gesellschaft »Individualismus im Exzess« vor: »Nicht nur in Deutschland hat man das Konzept treuer Partnerschaft aufgegeben -Ê das ist fatal«, beklagte im voll besetzten Saal der Stadthalle Prof. Dr. Walter, der sich selbst gern mit einer Tasse Espresso vergleicht: »klein, schwarz und stark«.
Mit Prof. Walters Festvortrag »Gesundheit -Êein Wachstumsmarkt« fand der 52. Zahnärztetag der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe am Samstag seinen Abschluss. Vier Tage lang hatten sich mehr als 3000 Zahnärzte unter dem Hauptthema »Ästhetik und Implantologie -ÊTherapie oder Luxus?« in Spezialseminaren, einer großen Dentalausstellung und an Infoständen über neue Trends und Möglichkeiten in der Zahnmedizin sowie über deren Zukunft informiert. Dabei sind die Teilnehmerzahlen stark steigend: Vor fünf Jahren war der Zahnärztetag aus Platzgründen von Bad Salzuflen nach Gütersloh gezogen. Nun ist sogar die Stadthalle schon fast vollständig ausgelastet.

Artikel vom 14.03.2006