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Osteuropa startet neuen Versuch

Streit um Dienstleistungsrichtlinie

Brüssel (Reuters). Die EU-Staaten streiten weiter über die Liberalisierung des europäischen Dienstleistungsmarktes. Mehrere Wirtschaftsminister vor allem aus Osteuropa riefen gestern in Brüssel dazu auf, das nach Gewerkschaftsprotesten vom EU-Parlament gekippte Herkunftslandprinzip doch wieder in die Dienstleistungsrichtlinie aufzunehmen.

Dieses würde Unternehmen erlauben, nach den Regeln ihres Heimatlandes in anderen EU-Staaten Aufträge auszuführen. Gewerkschaften fürchten dadurch sinkende Löhne und Sozialstandards. EU-Kommission und die österreichische EU-Ratspräsidentschaft riefen dagegen dazu auf, sich am Kompromiss des Parlaments zu orientieren, um weiteren politischen Schaden zu verhindern.
Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos betonte, auch die Bundesregierung unterstütze den Kompromiss, mit dem die Liberalisierung eingeschränkt würde. Großbritannien und osteuropäische Nachbarn Deutschlands hätten sich für liberalere Regeln ausgesprochen, sagte Glos. Die Bundesregierung wolle angesichts der mehr als fünf Millionen Arbeitslosen aber den Arbeitsmarkt vor Konkurrenz aus Osteuropa schützen.
EU-Industriekommissar Günter Verheugen machte bereits deutlich, dass die Kommission in ihrem für April angekündigten neuen Richtlinienentwurf das Herkunftslandprinzip nicht wieder aufnehmen will. »Es macht überhaupt keinen Sinn, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen«, sagte er. Die Dienstleistungsrichtlinie dürfe keinen weiteren politischen Flurschaden anrichten. Er versicherte aber, die Kommission werde dafür sorgen, dass der freie Dienstleistungsmarkt durch die Richtlinie gesichert werde. Der österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein als EU-Ratsvorsitzender sagte, zwar wollten mehrere Länder das Herkunftslandprinzip wieder einführen.
Die Kommission der Europäischen Union will Anfang April ihre neuen Vorschläge präsentieren. Die Wirtschaftsminister der EU beraten darüber Ende April auf einem informellen Treffen in Graz. Danach muss sich erneut das Parlament äußern. Österreich strebt eine Einigung im Ministerrat bis Ende Juni an. Das EU-Parlament hatte mit großer Mehrheit vorgeschlagen, dass Unternehmen von einfacheren Verwaltungsverfahren profitieren sollen, wenn sie in anderen Ländern Aufträge ausführen. So sollen sie nicht mehr gezwungen werden können, dort Büros zu unterhalten oder Kammern beizutreten. Allerdings sollen sie Aufträge weitgehend nach den Regeln des Gastlandes ausführen.

Artikel vom 14.03.2006