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Öffentlicher Dienst - kein Streikende in Sicht

Streit um Verhandlungsführung der Arbeitgeber

Berlin/Hamburg (dpa). Nach dem vorläufigen Scheitern der Tarifgespräche zwischen Ländern und Gewerkschaften gehen die Streiks im öffentlichen Dienst in die sechste Woche - ein Ende ist nicht Sicht.
Zugleich spitzt sich die Diskussion um den Verhandlungsführer der Länder, Hartmut Möllring (CDU), zu. Gewerkschaften und SPD-Politiker im Arbeitgeberlager machten den Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am Wochenende für das Ende der Gespräche verantwortlich. TdL-Vize Ralf Stegner (SPD) warf Möllring vor, er gefährde den Fortbestand der Tarifgemeinschaft. In der TdL sind 14 Bundesländer organisiert, Hauptaufgabe ist der Abschluss von Tarifverträgen. Nicht mehr in der TdL sind bereits seit einiger Zeit Berlin und Hessen.
Als erste Eskalation rief der Beamtenbund (dbb) bei ihm organisierte angestellte Techniker gestern für vier Stunden zum Streik im Hamburger Elbtunnel auf. Durch den Ausstand der wenigen Spezialisten, die den Verkehr in den Röhren überwachen, reduzierte sich die Zahl der Fahrspuren pro Richtung von vier auf eine.
Am Samstag hatte ein zweitägiges Spitzentreffen in Berlin mit einem Zerwürfnis zwischen den Tarifparteien geendet. Die Gewerkschaft Verdi kündigte gestern an, die Streiks in der kommenden Woche auf »gleichem Niveau« fortzusetzen. Zuletzt hatten am Freitag 32 000 Beschäftigte in elf Ländern die Arbeit niedergelegt.
Die SPD-Länderchefs wollen heute bei einer Präsidiumssitzung in Stuttgart beraten, ob sie Möllring als Verhandlungsführer und TdL- Chef noch für tragbar halten. Schleswig-Holsteins Innenminister Stegner (SPD) meinte, Möllring habe keine Einigung gewollt. Der Erhalt der TdL sei in Gefahr. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, Kurt Beck (SPD), sagte, er habe kein Verständnis dafür, dass Möllring die Chance auf eine Einigung nicht genutzt habe.
Beck drohte gestern einem möglichen Austritt sozialdemokratisch geführter Länder aus dem Arbeitgeberverband. »Ich schließe das nicht aus, auch wenn ich es für die am wenigsten wünschenswert halte.«
Möllring konterte: »Das ist eine ziemliche Unverschämtheit, wenn jemand während der Verhandlungen den Verhandlungsführer in Frage stellt, obwohl der nur das macht, was die große Mehrheit der Länder vorher beschlossen hat.« Die Angebote der Gewerkschaften seien nicht ausreichend, sagte er.
Die Gewerkschaften hatten gestaffelte Arbeitszeiten angeboten. Nur für die gehobenen und die höchsten Tarifgruppen sollte die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 39,5 und 40 Stunden erhöht werden. Auch in anderen Bereichen habe man sich bewegt, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verteidigte Möllring: »Die SPD hat keinen Grund, jetzt nervös zu werden.« Die Kritik an Möllring stärke nicht die Tarifgemeinschaft der Länder. Möllring wurde 2005 auf Vorschlag der Unions-Mehrheit als TdL-Chef wiedergewählt. Der Geschäftsführer der TdL, Ulrich Rieger, sieht den Bestand der Tarifgemeinschaft nicht gefährdet. »Unterschiedliche Auffassungen unter den Ländern sind gang und gäbe«, sagte Rieger.
Offiziell wurden die Tarifgespräche nur unterbrochen. Möllring sprach von einer Denkpause. »Nur muss man sehen, ob es noch eine Möglichkeit gibt, sich in den nächsten Tagen oder Wochen aufeinander zuzubewegen.«
Bsirske, sowie der Vorsitzende der Tarifunion des Beamtenbundes, Frank Stöhr, zeigten sich skeptisch, ob Kompromisschancen bestehen. Stöhr betonte: »Wir wollen eine Einigung.« Die Mehrheit der Ministerpräsidenten wolle jedoch die Bedingungen diktieren.

Artikel vom 13.03.2006