11.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Manfred Stienecke

Paderborner
Perspektiven

Novelle - dick wie ein Roman


G lück gehabt - so scheint es. Im Paderborner Schulverwaltungsamt zumindest gibt man sich nach dem Abschluss des Schul-Anmeldeverfahrens gelassen. Die Veränderungen innerhalb der einzelnen Schulformen seien gering. Alles wie gehabt, heißt es. Aber ist die Situation an den heimischen Schulen wirklich so unproblematisch?
Bis auf kleinere Korrekturen bei der Anzahl der Eingangsklassen in einigen Lehranstalten könnte das nächste Schuljahr tatsächlich so beginnen wie das derzeitige. Das bedeutet aber auch: Knapp 80 Kinder, die am liebsten die Gesamtschule in Elsen besucht hätten, müssen nun woanders das fünfte Schuljahr und damit ihre weitere Schullaufbahn fortsetzen. Fast 42 Prozent des Altersjahrgangs haben das Gymnasium gewählt. Die einstige »Oberschule« ist längst zur »Volksschule« geworden - mit einer Schülerpopulation, die größenmäßig weit vor den übrigen drei Schulformen liegt. Und die Hauptschulen schauen am Ende in eine immer kleinere Röhre.
Nur zwei der noch bestehenden fünf Paderborner Hauptschulen - in der ursprünglichen Intention der Schulpolitiker eigentlich die Basis-Einrichtung für das duchschnittlich begabte Kind - erreichen zum Schuljahresbeginn 2006/07 die für eine Zweizügigkeit benötigte Mindest-Schülerzahl. Da scheint es angesichts kontinuierlich sinkender Aufnahmezahlen für diese Schulform absehbar, dass bald schon eine weitere Schule dicht gemacht werden muss. Das mag man bedauern - ein ernsthaftes Gegensteuern bei den Verantwortlichen im Land ist indes kaum festzustellen. Der schleichende Niedergang der einstigen »Regelschule« dürfte bei so geringer politischer Fürsorge besiegelt sein.
Die kommenden Schuljahre versprechen aber auch aus anderen Gründen turbulent zu werden für Schüler, Eltern und vor allem die Lehrer. Mit dem »Sommer-Anbruch« in der NRW-Schulpolitik nämlich müssen sich alle Beteiligten wieder einmal auf eine schulgesetzliche Novelle einstellen, die schon eher Roman-Charakter besitzt. Schon bei Vierjährigen im Kindergarten greift künftig der pädagogische Verwaltungsarm ein. Erzieherinnen und Lehrer sollen gemeinsam dafür sorgen, dass sprachliche Defizite bis zum Schulbeginn ausgeglichen werden. In der Grundschule müssen sich die ABC-Schützen dann bereits mit der ersten Fremdsprache Englisch auseinander setzen.
Mit Sorge blicken die heimischen Schulpolitiker auf die geplante Freigabe der bisherigen Schulbezirksgrenzen. Eine strukturierte Steuerung des kommunalen Grundschulwesens wird dadurch erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Die Städte und Gemeinden werden unkontrollierten Schülerströmen zu einzelnen Schulen wohl nur dadurch begegnen können, dass Höchstkapazitäten festgelegt werden, wobei darauf zu achten ist, dass trotzdem jedes Kind die nächstgelegene Schule besuchen können muss. Da möchte man den geplagten Mitarbeitern in den Schulverwaltungsämtern nur noch viel Spaß beim Puzzlen wünschen.
Noch gar nicht absehbar ist die vermutlich herrschende Verwirrung, wenn - wie fest vorgesehen - die Schulzeit an den Gymnasien bis zum Abitur von derzeit neun auf nur noch acht Schuljahre verkürzt wird. Eltern- und Lehrerverbände befürchten damit unisono eine erhebliche Beeinträchtigung der Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen. Was vermutlich die Bevorzugung des Gymnasiums bei der Wahl der weiterführenden Schule weiter stärken wird. Ob der von der Schulministerin geplante »Prognose-Unterricht« in Zweifelsfällen da weiterhilft, darf getrost mit einem großen Fragezeichen versehen werden.

Artikel vom 11.03.2006