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Jeder hat Recht - jeder lügt

Tom Peuckerts Stück »2009« im Theater am Alten Markt uraufgeführt


Von Inga Krusch
Bielefeld (WB). Darf der Staat zur Erzwingung einer Aussage Gewalt androhen? Ist »Folter für einen guten Zweck« legitim? Und: Was ist uns eigentlich das höchste Rechtsgut wert, dass der Staat niemals Gewalt androhen darf? Angeregt von einem realen Fall und der nachfolgenden Diskussion in der Öffentlichkeit hat Autor Tom Peuckert ein Stück erschaffen, das sich diesen Fragen stellt. Am Freitag wurde »2009« im Theater am Alten Markt uraufgeführt.
Hintergrund der Tragödie ist die Entführung und Ermordung des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler. Dabei verschärft Peuckert die Ausgangslage noch: In seinem Stück ist der Entführer und Mörder des Opfers tatsächlich gefoltert worden. Die Figuren sind verstrickt in einem Spiel, das von den egoistischen Absichten und Trieben jedes Einzelnen angestiftet wurde. Die Ärztin, gespielt von Claudia Mau, hat das Folteropfer zwar behandelt, aber sie hat geschwiegen. Der Anwalt des Entführers (John Wesley Zielmann) hat eine Affäre mit der Ärztin. Der Polizeipräsident, der die Folter angeordnet hat (wunderbar in dieser Rolle: Thomas Wolff), steht unter enormem Druck, das Kind möglichst schnell zu befreien. Am besten lebend. Doch wie soll er das schaffen, wenn der Verdächtige (Mathias Reiter), der allem Anschein nach auch der Schuldige ist, alles abstreitet? In diesem Spiel gibt es viele subjektive Wahrheiten. Jeder hat Recht. Jeder lügt. So werden grundlegende Fragen nach menschlicher und gesellschaftlicher Verantwortung gestellt.
Der Titel »2009« ist ein Spiel des Autors mit apokalyptischen Zukunftsprognosen: »Im Jahr 2009 wird unsere Gesellschaft wahrscheinlich so weit sein, die Folter wieder für legitim zu erklären«, sagt er. »Unsere Demokratie ist möglicherweise instabiler, als wir das hoffen.« Diese düstere Zukunft wird dem Zuschauer klar vor Augen geführt: Mit enormer Intensität bringen die Schauspieler das innere Dilemma ihrer Figuren auf die Bühne.
Regie führte die freischaffende Regisseurin Olga Wildgruber, die am Theater Bielefeld bereits Gesine Dankwarts »Girlsnightout« und Kerstin Hensels »Kalka« inszenierte. Tobias Schunck, der seit dieser Spielzeit freischaffend arbeitet, war für das Bühnenbild zuständig.
»2009« ist nach dem großen Erfolg von »Luhmann« in der vergangenen Spielzeit bereits Tom Peuckerts zweites Stück für das Theater Bielefeld. Die nächsten Vorstellungen finden am Freitag, 17. März, und am Samstag, 18. März, statt.

Artikel vom 13.03.2006