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Deutsche erobern das Mittelmeer

Urlaub auf hoher See wird immer beliebter - gebucht wird vorwiegend im Reisebüro

Von Thomas Albertsen
Berlin (WB). Wenn es um eine Kreuzfahrt geht, dann sind die Kunden gut beraten, ins Reisebüro zu gehen und sich dort von fachkundigem Personal die immer größer werdenden Unterschiede der unterschiedlichen Reise-Konzepte erläutern zu lassen.

78,2 Prozent aller Buchungen deutscher Gäste werden von Reisebüros vorgenommen. Der Anteil an Reservierungen über das Internet ging auf vier Prozent zurück.
Trotzdem bemängelt der Chef von Royal Caribbean Cruise Lines, Jerome Danglidis, das Schiffsreisen dort noch eine Randerscheinung seien - obwohl dieses Geschäftssegment sehr lukrativ sei. Die Reedereien bauten aufgrund des Marktpotenzials ihre Kapazitäten aus, die Voraussetzungen für Wachstum seien also gegeben. Um auf dem deutschen Markt höhere Anteile zu erzielen, arbeitet RCCL hierzulande eng mit dem Veranstalter Dertour zusammen.
Einheimische wie internationale Reeder strotzen vor Zufriedenheit: Der deutsche Kreuzfahrtmarkt expandiert weiterhin kräftig, die Schallmauer von einer Million Gästen wurde 2005 nur ganz knapp verfehlt. 965 000 Passagiere im Jahr 2005 entsprechen einem Plus von 8,5 Prozent - und das trotz schwachen Konsumklimas. Dieses Wachstum ist ungemein stärker als das der allgemeinen Reisebranche, die nach den vergangenen Krisenjahren nun endlich wieder Fuß gefasst hat.
Die Veranstalter von Hochseekreuzfahrten erzielten mit deutschen Gästen 1,22 Milliarden Euro Umsatz (plus 7,2 Prozent) - und das bei gleichzeitig gesunkener Durchschnittsreisedauer um 0,2 auf 9,6 Tage. Der durchschnittliche Reisepreis gab mit 1913 Euro um 42 Euro nach. Die europäischen Fahrtgebiete konnten einen Zuwachs von 11 Prozent verzeichnen. Die besten Zuwächse wurden im Mittelmeer erzielt -Êdorthin zog es fast 226 000 Menschen. Auch Nordeuropa boomt: Knapp 200 000 Urlauber entschieden sich für Island, Norwegen und die Ostsee-Anrainer. Ebenfalls im Plus lagen Atlantik-Kreuzfahrten vor den Küsten Westeuropas und Nordafrikas, die von 78 000 Reisenden bevorzugt wurden. Überseeziele wurden hingegen deutlich schlechter verkauft. Unterschiedlich auch die Entwicklung bei den Komfortklassen: Luxus und Standard waren mehr, Premiumkabinen und Billigreisen weniger gefragt.
Costa Crociere, das führende Kreuzfahrtunternehmen Europa, besitzt die modernste Flotte des Kontinents. Im Juni 2006 folgt ein weiterer Neubau (112 000 Tonnen groß, 3000 Passagiere in den Unterbetten), die »Costa Concordia«, die gegenwärtig auf der Fincantieri-Werft in Genua gebaut wird. Zur Costa-Flotte gehören dann elf Schiffe mit einer Kapazität für 21 500 Gäste.
Die deutsche Tochtergesellschaft Aida präsentierte sich in Berlin mit verändertem Gesicht. Wichtiger Bestandteil des neuen Designs ist ein weiterentwickeltes Logo. Dazu wurden die zwei Markenzeichen in einem Logo vereint: der rote Kussmund am Schiffsbug und die vier leuchtenden Buchstaben. 1996 hatte der Rostocker Maler Feliks Büttner das beliebteste Lächeln der Weltmeere erstmals auf den Bug eines Clubschiffes gemalt. Die drei neuen Aida-Schiffe werden etwa 2000 Gäste mit auf Reisen nehmen können.
Allgemein war erwartet worden, dass TUI auf der ITB den hauseigenen Luxus- und Expeditionsschiffen der Hapag-Lloyd ein TUI-Kreuzfahrtschiff zur Seite stellen würde. Doch der Einstieg in den Markt verzögert sich: Weder konnte ein geeignetes Schiff gefunden werden, noch hat eine namhafte Werft momentan freie Kapazitäten. Bis 2009 ist da nichts zu machen - und das trifft auch die Neustädter »Traumschiff«-Reederei Deilmann. Sie ist immer noch auf der Suche nach Ersatz für die außer Dienst gestellte »MS Berlin«. Konkurrenz erwächst übrigens womöglich bald in Norwegen. Nach dem gigantischen Erfolg der Luxusfähre »Color Fantasy«, die zwischen Kiel und Oslo verkehrt und vor allen Dingen Gäste anlockt, die lediglich fünf Stunden in Norwegen bleiben, denkt man bei der Reederei »Color Line« über den Bau eines reinen Kreuzfahrtschiffes nach.
Wie der Autor der Kreuzfahrtstudie für den Deutschen Reiseverband, Otto Schüßler, auf der ITB mitteilte, seien besonders kleinere Schiffe bei den Passagieren sehr beliebt.
Mit Flusskreuzfahrten erzielten die Reeder ein Umsatzplus von 4,1 Prozent auf 370,4 Millionen Euro, der durchschnittliche Reisepreis war mit 1137 Euro um 23 Euro günstiger als im Vorjahr. Die Donau ist das beliebteste Gewässer, auch der Nil und die französischen Flüsse legten zu. Einbußen verzeichneten hingegen die deutschen und holländischen Flüsse. Auf den Flüssen Russlands überstieg die Nachfrage das Angebot.

Artikel vom 17.03.2006