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In Dialogen den Wert
der anderen erkennen

Vorträge: Zusammenleben von Christen und Muslimen

Von Siegfried Huss (Text und Foto)
Herford (HK). »Die Praxis gemeinsamen Lebens braucht eine Quelle gegenüber der gemeinsamen Sprache in der Welt der Moderne. Bibel und Koran sind jeweils unterschiedliche Texte, die von unterschiedlichen Menschen geschrieben wurden!« Diese Aussage formulierte Samstagvormittag die muslimische Theologin und Juristin Hamideh Mohagheghi (Hannover) anlässlich der Studientagung der Westfälischen Missionskonferenz (WMK) und des Kirchenkreises Herford im Gemeindehaus am Münster.

Dort hatten sich zu einer Wochenendtagung Theologen und Interessierte eingefunden, um das Thema »Zusammenleben von Christen und Muslimen« zu vertiefen und unterschiedliche Sichtweisen zu beleuchten. Ziel der Studientagung war es, eine Sensibilität dafür zu entwickeln, andere Religionen zu verstehen und nicht Vorurteile von falschen Vorstellungen zu verbreiten.
Im Mittelpunkt der Studientagung standen zwei Vorträge. Professor Dr. Berthold Klappert (Wuppertal) stellte den Abschied vom Absolutheitsanspruch des Christentums in den Mittelpunkt seines Vortrages. Zum Basisdialog gehöre daher ein Sich-öffnen für muslimische Traditionen. Darin einbezogen seien fünf Säulen wie sie beispielhaft in der Verfassung von Indonesien verankert sind: Eigene Gottheit, Menschenrecht, die Einheit der Nation sowie Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Fundamentalistische Abwege seien in allen Religionen vorhanden. Auch in der europäischen Verfassung sei der »Islam in Europa« verankert. Daher gelte es, sich vom »Modell der Dialogverhinderung« zu verabschieden, denn der Islam sei vom Ursprung her gegenüber Christen und anderen Religionen offen. Der Segen des einen Volkes hänge somit nicht vom Segen des anderen Volkes ab, unterstrich Professor Dr. Berthold Klappert und ergänzte: »Wir sollten klug sein und uns einigen, bevor es zur Katastrophe kommt!«
Allerdings zeigte die abschließende Diskussion unter der Moderation von Christian Hohmann, dass viele mit dem Dialog zwischen Christen und Muslimen überfordert sind. Deshalb sei es nötig, sich vom Modell der eigenen Überlegenheit zu verabschieden. Erst dann sei der Eintritt in den gegenseitigen Dialog möglich.
Auch die Theologin und gebürtige Iranerin Hamideh Mohagheghi betonte in ihrem Vortrag, dass es ein Zusammenleben zwischen Menschen geben muss. An erster Stelle stünden Menschen, nicht Christen oder Muslime. In der jeweiligen Tradition habe es schwierige Phasen, ebenso Hindernisse und Konflikte, gegeben. Doch diese seien in der eigenen Gemeinschaft zu lösen, dort wo jeder lebe. Dann seien gemeinsam Lösungen zwischen Christen und Muslimen möglich. So gebe es im Koran Verse, die allgemeine Lösungen darstellen, auch gegen Andersgläubige. Wenn jedoch im Zusammenhang mit dem Koran Konflikte dargestellt werden, bezögen sich die Aussagen auf gesellschaftliche Realitäten ihrer jeweiligen Zeit. Demnach sei nicht über Gesetz und Schrift zu streiten, sondern das Reden im Dialog habe im Mittelpunkt zu stehen. Gott habe zur gegenseitigen Wahrnehmung den Menschen verschiedene Wege aufgezeigt, um diese als gemeinsame Aufgabe zu verstehen und gleichzeitig gegen Missbrauch von Wahrnehmungen »der anderen« vorzugehen. Deshalb sei das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen eine gegenseitige Bereicherung. Hamideh Mohagheghi: »Es gibt Beispiele, die Mut machen für eine bessere Zukunft. Es wird schlimmer, wenn wir nicht aufeinander zugehen.«
Die Studientagung der Westfälischen Missionskonferenz endete am Sonntag mit Gottesdiensten in den Gemeinden des Kirchenkreises Herford. Ein ökumenischer Abendgottesdienst fand bereits am Samstag in der St. Johannis-Kirche statt.

Artikel vom 13.03.2006