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Seit 70 Jahren
ein Meister
seines Fachs

Seltene Ehrung für Hans Wille

Rietberg (mobl). »Diese Auszeichnung habe ich noch nie verliehen«, staunte der Ehrenobermeister der Fleischerinnung Gütersloh, Erwin Berenbrinker, gestern nicht schlecht. Den »Gnadenmeisterbrief« durfte er in Rietberg an Hans Wille überreichen. Vor 70 Jahren legte der heute 94-Jährige seine Meisterprüfung ab.

»Das ist ein Zeichen, dass du ganz schön alt bist«, flachste Berenbrinker augenzwinkernd mit dem Jubilar, der mitten in der historischen Altstadt an der Pochenstraße zu Hause ist. 1926 verließ er seine Heimatstadt Bad Lippspringe, um im Sauerland das Fleischerhandwerk zu erlernen. Anfang der 30er Jahre ging er als Geselle auf Wanderschaft, ehe er in einer Paderborner Fleischerei angestellt wurde, wo er dann seine Meisterprüfung absolvierte. Ein Jahr später verschlug es den gebürtigen Lippspringer nach Varensell, wo er in der Schlachterei von Franz Bartscher arbeitete. Im Klosterdorf begegnete er auch seiner heutigen Frau, die damals noch Maria Echterhoff hieß. Gleich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sollte Hans Wille dann zum Kriegsdienst eingezogen werden. »Wir wurden aber erstmal wieder nach Hause geschickt, weil es nicht genügend Panzer gab. Irgendwann stand dann in der Zeitung, dass sich alle Männer meines Jahrgangs melden sollten. Und das war die größte Dummheit, die ich je gemacht habe, obwohl der Kriegsdienst wahrscheinlich ohnehin nicht zu vermeiden gewesen wäre«, so Wille. Nahe Smolensk wurde er verwundet und geriet später in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1948 zurückkehrte. »Ich machte mich auf den Weg in meine Heimat, nach Bad Lippspringe, und wollte mich dort im Einwohnermeldeamt zurückmelden. Doch ich durfte mich dort nicht anmelden, weil auf meinen Entlasspapieren Varensell als Wohnort angegeben war. Also ging ich dorthin zurück«, erinnert sich Wille.
1949 pachtete er die Fleischerei Josef Strunz an der Rathausstraße/Ecke Emsstraße. »Bezahlt wurde anfangs nur mit Marken«, erinnert er sich. Später kaufte er die Fleischerei und zog in ein neues Ladenlokal, in dem heute die Bäckerei Lange untergebracht ist. Zehn Jahre später siedelte er in die Pochenstraße um, wo er noch heute lebt.
Nach einem Unfall musste er seinen Beruf 1972 schweren Herzens aufgeben. Wille hatte eine große Familie zu versorgen, seine elf Kinder schenkten ihm inzwischen 22 Enkel, zudem ist Wille bereits sechsfacher Urgroßvater. Wie er stets seine gute Laune und seinen Optimismus beibehalten hat? Mit Hilfe seines Leitspruches natürlich: »Man darf sich nicht ärgern. Nur wundern.«

Artikel vom 11.03.2006