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Per Handy mit
Bombe gedroht

Haftstrafe für 63-jährigen Herster

Von Frank Spiegel
Herste/Höxter (WB). Weil er nicht verwunden hat, dass seine Ex-Schwiegertochter nicht bei seinem Sohn blieb, sondern einen anderen Mann geheiratet hat, sah ein 63-Jähriger aus Herste rot und wollte den Neuen bei dessen Arbeitgeber -Êder Linde AG -Êanschwärzen. Als das Unternehmen das ignorierte, reagierte er: mit einer Bombendrohung.

Das Schöffengericht in Höxter verurteilte den ehemaligen selbständigen Kaufmann gestern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten ohne Bewährung.
Der 63-Jährige hat am 18. Mai 2004 um 10.35 Uhr bei der Zentrale der Linde AG in Wiesbaden angerufen mit den Worten »Sie sollten Ihre Leute in München warnen. Da geht in fünf Minuten eine Bombe hoch.« Während dieser Zeit fand dort die Aktionärsversammlung des Konzerns statt. Etwa 1 600 Menschen waren versammelt. Die Telefonistin verständigte den Sicherheitsdienst, dieser nahm Kontakt zum Justitiar des Unternehmens auf, der sich auf der Versammlung befand. »Ich wusste nicht, ob ich die Drohung ernst nehmen sollte, ließ aber die Halle räumen«, erklärte er gestern vor Gericht. Die Polizei suchte vergeblich nach der vermeintlichen Bombe, nach zwei Stunden konnte die Versammlung fortgesetzt werden.
Über die Nummer seins Handys wurde der heute 63-Jährige überführt. Die Ermittlungen der Polizei ergaben, dass der Anruf in der Linde-Konzernzentrale mit dem Mobiltelefon des Hersters erfolgte. Weitere Nachforschungen ergaben, dass der Mann in zahlreichen Briefen den neuen Ehemann seiner Ex-Schwiegertochter bei dessen Arbeitgeber -Êder Linde AG, die auch eine Niederlassung in Herste betreibt -Êbeschuldigt hat, im Urlaub nebenher zu arbeiten oder mit Krankschreibungen seinen Urlaub verlängert zu haben.
Für das Gericht unter dem Vorsitz von Dr. Andreas Hohendorf ist es daher eindeutig, dass es der Angeklagte war, der in Wiesbaden angerufen und die Bombendrohung ausgesprochen hat. Der Einzelverbindungsnachweis habe dieses ergeben. Hinzu kam, dass in der Verhandlung gestern auch die Ex-Schwiegertochter des Angeklagten ausgesagt hat, dass sie von diesem »Terroranrufe« bekommen habe und »beschimpft und bedroht« worden sei. Richter Dr. Andreas Hohendorf meinte auch mit Blick auf die Aktionen gegen den neuen Mann der Ex-Schwiegertochter: »Allein der Angeklagte hatte ein Motiv.«
Da half es auch nichts, dass Rechtsanwalt Ulrich Müller den Antrag stellte, Zeugen zu hören, die beobachtet haben wollen, wie der Angeklagte am Tattag auf seinem Grundstück in Spanien gewesen sein soll. Da die Ermittlungen der Polizei ergeben hatten, dass der Anruf bei der Linde AG aus dem Raum Bad Driburg erfolgt sein muss, wäre der Angeklagte damit »aus dem Schneider« gewesen.
Am 7. Juli 2005 hatte Müller mit diesem Antrag erreicht, dass die Hauptverhandlung auf gestern vertagt wurde. Nun stellte sich anhand der Unterlagen des Reisebüros heraus, dass der Angeklagte und seine Frau erst am 21. Mai nach Spanien geflogen sind -Êdrei Tage nach dem Anruf. Ein Zeuge hatte auch mitbekommen, dass der 63-Jährige erklärt hatte, er wolle selbst zur Aktionärsversammlung in München fahren und sich dort äußern. Zudem ergab der Einzelverbindungsnachweis des Tathandys, dass von diesem bis zum 19. Mai 2004 Gespräche innerhalb Deutschlands geführt wurden, danach aus dem Ausland. Angesichts dieser Beweise lehnte das Gericht den Beweisantrag ab und folgte den Ausführungen von Staatsanwalt Dr. Dieter Störmer.
Rechtsanwalt Ulrich Müller kündigte an, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen. Er möchte, dass die in Spanien lebenden Zeugen geladen und gehört werden, um seinen Mandanten zu entlasten. Der Angeklagte, der sich während des Prozesses nicht zur Sache äußerte, beteuerte in seinem Schlusswort seine Unschuld: »Ich war es nicht.«
In das Urteil eingeflossen ist eine achtmonatige Freiheitsstrafe, die das Amtsgericht Brakel im Januar verhängt und zur Bewährung ausgesetzt hatte. Hier war es um die Erschleichung von Leistungen durch die Agentur für Arbeit gegangen. Für eine Bewährungsstrafe sah Dr. Andreas Hohendorf gestern »weder in der Tat noch in der Persönlichkeit des Täters« eine Begründung.

Artikel vom 10.03.2006