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Irreguläres Tor in der Schlusssekunde

Mindener Verantwortliche üben nach 29:30 gegen FA Göppingen massive Schiedsrichter-Kritik

Von Volker Krusche
Minden (WB). Ein irreguläres Tor entschied vor 2200 aufgebrachten und enttäuschten Zuschauern das Live-Spiel des DSF. Leidtragender war GWD Minden, das durch einen Treffer von Michael Kraus in der Schlusssekunde FrischAuf Göppingen äußerst bitter mit 29:30 (13:11) unterlag.

Drei Sekunden vor Spielende hatte Ognjen Backovic Göppingens in der zweiten Hälfte überragenden Linkshänder Volker Michel fair auf Kosten eines Freiwurfs gebremst. Der Göppinger spielte den Ball sofort zu »»Mimi« Kraus und der Nationalspieler jagte das runde Leder mit einem ebenso fulminanten wie sehenswerten Wurf über den Scheitel des verdutzten Malik Besirevic unter die Latte des Mindener Gehäuses.
Die beiden überforderten jungen Unparteiischen Lars Schaller (25 Jahre) und Sebastian Wutzler (26) aus Leipzig entschieden auf Tor, obwohl jeder Regelkundige diesem Treffer keine Anerkennung gegeben hätte. Bei der Ausführung des Freiwurfs befanden sich, wie auch die Fernsehbilder des DSF bewiesen, mit Kreisläufer Nikola Manojlovic und Linksaußen Dragos Oprea gleich zwei Göppinger noch innerhalb des Neun-Meter-Bereiches. Die Unparteiischen hätten also den Freiwurf wiederholen lassen müssen, was wegen der inzwischen abgelaufenen Spielzeit dann nur noch zu einem Direktwurf hätte führen können. Ein klarer Regelverstoß, der GWD ein wertvolles Remis kostete.
Minden fühlte sich völlig zu recht um einen Punkt betrogen. Ein Punkt, der in der Endabrechnung vielleicht sogar über Abstieg und Klassenverbleib entscheiden und somit eine Menge Geld wert sein kann.
Mindens Trainer Richard Ratka, eigentlich eher ruhig und zurückhaltend, ließ (fast) seinen ganzen Unmut an den beiden »Fehlbesetzungen« dieses bedeutsamen Duells und der gleichzeitiger Fernsehwerbung für den Handball aus. Völlig untypisch für ihn. »Wir sind bei den Schiedsrichtern irgendwie nicht gut weggekommen. Göppingen kam mit der unorthodoxen Regelauslegung aufgrund seiner größeren Erfahrung sehr viel besser klar. Die beiden Herren waren völlig überfordert. Allein Lars-Henrik Walther hätte für seine ewige Schubserei mindestens acht Mal auf die Sünderbank gemusst, traf dort aber nicht ein einziges Mal ein. Diese Unparteiischen waren darauf aus, die Heimmannschaft vor den Fernsehzuschauern nicht zu bevorteilen. Erst werden wir in Wetzlar benachteiligt, und jetzt schon wieder.«
Da tauchte im näheren Umfeld der Mannschaft schnell die Frage auf, ob man das deutsche Youngsterteam mit aller Macht aus der Liga boxen will. Ein brutales Foul an Dimitri Kouzelev ahndeten die Spielleiter nämlich auch nur mit einer für alle Betrachter lächerlichen Zwei-Minuten-Strafe, obwohl jeder in der Halle den knallharten Schlag von Aleksandar Knezevic ins Gesicht des Mindener Kreisläufers deutlich vernommen hatten. Das knackte richtig, so dass man schon schlimme Befürchtungen haben musste. Rot? Da nickte selbst
Männer-Spielwart Uwe Stemberg zustimmend. GWD-Manager Günter Gieseking ging noch weiter: »Ich weiß nicht, was sonst noch als Tätlichkeit ausgelegt werden soll. Wahrscheinlich erst, wenn man mit einem Messer zusticht!« Ein Ausschluss des Göppinger Rechtsaußen hätte Minden für mehr als fünf Minuten in Überzahl spielen und die Chancen noch deutlich steigen lassen. »Wir liefen als eine Mannschaft auf, die zuletzt stark im Kommen war. Göppingen als Team, das mit Kampf und Kompromisslosigkeit zu Werke geht. Außerdem ist es noch ein Fernsehspiel. Da kann man doch nicht solche Kinder pfeifen lassen. Da muss doch ein gestandenes Gespann her«, schimpfte Gieseking weiter.
Und Ratka legte noch nach: »Nach dieser Schiedsrichterleistung werden wohl 5000 Fernsehzuschauer weniger die Handball-Übertragungen einschalten, weil sie das Spiel nicht mehr verstehen!«
Minden aber durfte die unglückliche Niederlage, die im Hinblick auf das so wichtige folgende Auswärtsspiel am Sonntag in Düsseldorf schnellstmöglich verarbeitet muss, nicht allein an den Unparteiischen festmachen. Die pfiffen im Großen und Ganzen auf beiden Seiten alles andere als einer DSF-Übertragung würdig. GWD verspürte im Gegensatz zu den Paukenschlägen gegen Kiel und Flensburg, als man locker aufspielen konnte, aber diesmal den Druck, nicht als krasser Außenseiter in die Partie zu gehen. Die Erwartungshaltung war groß.
Letztlich sollte sich aber wieder etwas anderes bewahrheiten: ist Bundestrainer Heiner Brand in der Halle oder das Deutsche SportFernsehn zu Gast, ziehen die »Grün-Weißen« zumeist den Kürzeren. Beide waren diesmal da, so dass die Niederlage eigentlich nicht überraschend kam.
Doch an ihnen lag es nun wirklich nicht. Vielmehr bestand der Mindener Angriff im ersten Abschnitt fast ausschließlich aus Arne Niemeyer. Der erzielte allein sieben der 13 Tore, darunter die ersten vier. Der Kapitän rieb sich dabei so stark auf, dass er das Torewerfen aus Kraftmangel nach seinem achten Treffer in der 38. Minute einstellen musste. Hinzu kam, dass er nach der Pause auch in der Defensive oftmals überfordert wirkte. Er war schlichtweg ausgelaugt. Einer Manndeckung von Geburtstagskind Michael Schweickardt gegen Niemeyer konnte GWD nichts entgegensetzen.
Und das wohl auch aus dem Grund, weil von seinen anderen Rückraumkollegen viel zu wenig kam. Jan-Fiete Buschmann, der nun schon im dritten Spiel hintereinander seiner tollen Form des Vorjahres hinterherlief, Stephan Just und Snorri Gudjonsson leisteten sich allein in Halbzeit eins zusammen fast ein Dutzend einfacher und undisziplinierter Fehlwürfe. Entweder flach - und damit eine sichere Beute von FAG-Keeper Galia - oder immer wieder per Hüftwurf, auf den sich Göppingens Abwehrspieler gut eingestellt hatten.
Dennoch führte GWD zur Pause 13:11 - dank eines wunderschönen Direktfreiwurfs von Just -, weil man sich in der Defensive erheblich steigern konnte. Doch genau diese von Trainer Ratka geforderte Voraussetzung für einen Sieg kam nach der Pause nicht mehr zum Tragen. Da war kein Verband mehr da, fehlte die Aggressivität, so dass insbesondere Volker Michel mit seinen Fernwürfen immer wieder traf.
Aus dem 18:15 (39.) machte der Gast über 21:20 und 21:24 ein 24:28 (53.). Die Vorentscheidung!? Nein, denn wieder einmal bäumten sich die Mindener Youngster auf, verkürzten auf 26:28. Und nach dem 26:29 (57.) schafften sie 35 Sekunden vor Schluss durch einen Simon-Konter den 29:29-Ausgleich.
Bitter nur, dass sie die Restzeit nach einer saudummen Zeitstrafe von Stephan Just in Unterzahl bestreiten mussten und dann auch noch unter einer Regelschwäche der Unparteiischen (wie eingangs beschrieben) leiden mussten. Die kamen übrigens nicht mehr, wie ihre Kollegen sonst, in den VIP-Raum der Kampa-Halle zum Essen, sondern verzogen sich heimlich, still und leise in ihr benachbartes Hotel. Sie werden ihre Gründe gehabt habenÉ

Artikel vom 09.03.2006