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Seit 50 Jahren lästerliche Lieder

Spitze Feder und frecher Schnabel: »Laibachspatzen« feiern Jubiläum

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). Die »Kreissäge« auf dem Kopf, eine Fliege unterm Kinn und die Spottlust in der Stimme - so kennen die Haller ihre »Laibachspatzen«. Die Herren aus den Reihen des Männergesangvereins Ravensberg sind in Ehren ergraut: Seit 50 Jahren würzen sie den Sängerball in Halle mit ihren lästerlichen Liedern.

Waren das noch Zeiten, als knapp 400 Festgäste den Sängerball zu dem Ereignis überhaupt in Halle werden ließen. Als die Haller ein wenig müde waren von all den schönen Winterfesten, sollte eine muntre Stimmungstruppe 1957 neue Zugnummer des Abends werden: Die Laibachspatzen erhielten ihren Namen von der Wohngegend einiger Sänger.
Der spätere Chorleiter Walter Thomas gehörte ebenso dazu wie der langjährige Vorsitzende Erwin Philipp. Dr. Günter Kluge, Gustav Meier, Fritz Wagemann und Lothar Maiwald. Letzterer singt zwar heute nicht mehr mit, blickte für das WESTFALEN-BLATT gemeinsam mit den »Spatzen« Bruno Fliege und Jürgen Wolff zurück, ebenfalls einstiger Vorsitzender.
Nur eine Melodie und 13 Strophen sangen die Spatzen durchaus noch brav von Wasser, welches zum Waschen da sei. Der Beifall machte die Vögel vom Gestade des Laibachs kecker. Sie spießten Planungen wie »Groß-Künsebeck« auf ihre losen Schnäbel auf, hackten lustvoll ein auf die »ewige Buddelei« in der Stadt sowie die Astlöcher in den hölzernen Kabinen des Freibades, pfiffen von dem ständigen Wirtewechsel auf dem Schützenberg und wetzten ihre Schnäbel am Bau der Umgehungsstraße.
Was da so fröhlich-frech und lustvoll-liederlich aufgespießt wurde, war das, was in all den Jahren Schlagzeilen machte - und das, was nie in den Zeitungen stand. In ordentlichen Knittelversen und Schüttelreimen sangen die Laibachspatzen von den »Spannern vom Baggersee«, vom »Boulevard à la Schlempe Kisker« (der breit ausgebauten Alleestraße, über die die Bauern nach wie vor die Brennerei-Abfälle fuhren) und »Halles Villa Hügel«.
Spottlustig waren die Spatzen immer, böse nie. Darum nahm das Publikum den Sängern ihre kritischen Bemerkungen, die sie stets gemeinsam verfassten, auch nie übel. Nur Halles ehemaliger Amtsdirektor Dr. Ulrich May, der über Dritte von den Späßen gehört hatte, der soll um eine Zusendung des Textes gebeten haben, wie Jürgen Wolff berichtete. Davon habe der Jurist allerdings Abstand genommen, als man ihm antwortete, die Spatzen wären gern bereit, ihre Verse im Falle einer Klage vor Gericht vorzutragen.
Und so singen sie also weiter, begleitet von Hans Kuhn und seinem Akkordeon: Karl-Heinz Gödeke und Ernst-August Rosendahl, Ulrich Salten und Bruno Fliege, Gerd Wißmann, Horst Upmann und Jürgen Wolff. Der nächste Winterball wird ihr 50. sein. Ein Prosit auf das »Doppel-Quartett« und seine ein- bis vierstimmigen Spitzen.

Artikel vom 08.03.2006