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Paderborner Hospital rettet Junge aus Libyen

Seltene Operation in Deutschland: dank Umkehrplastik wieder mit beiden Beinen im Leben

Paderborn (WV). Eine erstmals in Paderborn durchgeführte Umkehrplastik rettete dem 14-jährigen Libyer Alfatisi das Leben. Das Evangelische Krankenhaus Bielefeld und das Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn konnten den an Knochenkrebs erkrankten Jungen erfolgreich behandeln.

Der aus Libyen stammende Junge Alfatisi war an einem bösartigen Knochenkrebs des Kniegelenks erkrankt. Der Tumor war bereits auf die Größe eines Fußballes angewachsen. In seiner Heimat Libyen hatte man den Jungen bereits aufgegeben, doch sein Vater brachte ihn nach Deutschland, um ihn hier behandeln zu lassen.
Nachdem sich der 14-jährige Alfatisi in der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie des Brüderkrankenhauses St. Josef vorgestellt hatte, sah Chefarzt Dr. med. Norbert Lindner die Möglichkeit, große Anteile des Beines durch eine spezielle plastische Operation zu erhalten.
Zunächst unterzog sich der junge Libyer unter Leitung von Chefarzt Prof. Dr. med. Johannes Otte einer Chemotherapie in der onkologischen Abteilung des Kinderzentrums im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld. Im Anschluss an die erfolgreiche chemotherapeutische Behandlung führte Lindner dann im Brüderkrankenhaus St. Josef in Paderborn eine achtstündige Operation durch. Das Hüftgelenk und der Unterschenkel blieben vollständig erhalten, so dass eine hervorragende Funktion durch die Umkehrplastik erreicht werden konnte.
Bei der Umkehrplastik werden der vom Krebs durchsetzte Oberschenkel mit Knochen und Weichteilen und das Kniegelenk vollständig entfernt. Um den gesunden Unterschenkel zu erhalten, wird der Ischiasnerv über eine Länge von 50 Zentimeter freigelegt und anschließend der Unterschenkel an den verbliebenen Hüftknochen 180 Grad verdreht reimplantiert. Das Zusammennähen der Blutgefäße im Kniegelenk mit denen des Hüftgelenks sorgt für eine Wiederherstellung der Durchblutung. Außerdem werden Muskeln und Haut plastisch verbunden.
Da dies eine der kompliziertesten Operationen in der orthopädischen Chirurgie ist, wird sie in Deutschland nur von wenigen Chirurgen durchgeführt. Alle Schritte der Operation sind exakt durchzuführen, da es ansonsten zum Verlust des gesamten Beines oder Wiederauftreten des Krebses kommen kann.
Nach der erfolgreichen Operation lernt Alfatisi bereits wieder mit Hilfe einer Interimsprothese vom Sanitätshaus Büscher das Laufen. »Schon bei der Anprobe hatte Alfatisi das Gefühl, sprichwörtlich wieder mit beiden Beinen im Leben zu stehen«, sagte der Dolmetscher. Diese Prothese hat ihm ein großes Stück Lebensqualität zurückgegeben. »Für einen agilen, unternehmungslustigen Menschen ist die ÝBorggreve-UmkehrplastikÜ mit dem endbelastbaren Stumpf (Fußsohle), dem erhaltenem Kniegelenk (sein ehemaliges Sprunggelenk) und der dazugehörigen Prothese ideal«, weiß Stefan Girke, Orthopädietechniker-Meister des Sanitätshauses Büscher, in dem der Libyer versorgt wird. »Dank der guten interdisziplinären Zusammenarbeit aller Beteiligten haben wir die bestmögliche Versorgung dieses jungen Patienten erreicht«.
Alfatisi kann nach dem Sieg über den Knochenkrebs jetzt hoffnungsvoll einer gesunden Zukunft entgegenschauen und wird sein Leben nahezu uneingeschränkt in seiner Heimat gestalten können.

Artikel vom 07.03.2006