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»Liebe für Weibes Wesendie Sonne des Lebens«

Saisonauftakt in der Museumsschule Schweicheln

Von Jörn Petring (Text und Fotos)
Hiddenhausen-Schweicheln-Bermbeck (HK). Angestrahlt von einer alten Lampe, erscheint das Bild von Dr. Robert Hymenophilos beinahe wie dessen Geist, der Christa Gante, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Museumsschule, bei der Lesung aus seinem Buch über die Schulter blickt.

Der Tag der offenen Tür der Museumsschule Hiddenhausen zog auch am vergangen Sonntag wieder viele Besucher an, die in der gemütlichen Atmosphäre der Museumsscheune den Schilderungen Gantes lauschten. »Das müssen wir uns - wie man auf neudeutsch sagt - jetzt noch einmal reinziehen«, sagte Gante und war voll und ganz in ihrem Element. Bekannt für ihre amüsanten Führungen durch die Museumsschule, hatte sie am Sonntag zum Saisonauftakt ein ganz besonders Bonbon für alle Besucher parat. Genau genommen waren es zwei: »Almanach für Vermählte« und »Unsere Pilgerfahrt von der Kinderstube bis zum eignen Herd« lauteten die Titel, aus denen Gante vortrug.
Beide Bücher entstammen der Sammlung von Reneé Claudine Bredt, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Die Werke entstanden in einer Zeit, in der auch die Schule am Alten Kirchweg in Schweicheln noch nicht den Beinamen »Museum« trug. »Die Liebe ist für des Weibes Wesen die eigentliche Sonne des Lebens, für den Mann ist sie nur ein kleiner strahlender Stern«, dieses literarische Bonmot war beim Lesepublikum jener Zeit durchaus beliebt.
Denn Thema des Nachmittags war die Liebe oder, um die Contenance des 19. Jahrhunderts zu bewahren: die vollkommenste aller gesellschaftlichen Verbindungen - die Ehe. Der Literaturnachmittag, zuvor angekündigt als lustige Lesestunde, bot in der Tat einige Gelegenheit zum Schmunzeln. Das dürften die beiden Autoren Dr. Robert Hymenophilos und Elise Polko so nicht beabsichtigt haben, setzten sie sich doch bei der Recherche ihrer in den Jahren 1843 und 1873 erschienen Bücher mit sozialwissenschaftlicher Ernsthaftigkeit mit dem Verhältnis von Mann und Frau auseinander.
Die Emanzipation hat das Verhältnis längst in ein neues Gleichgewicht gerückt. Und so lachten auch die Männer brav mit, als Christa Gante die von Elise Polko verfassten Regeln eines »ordentlichen« Weibes vortrug. »Verschweige deinem Manne nichts - keinen Kummer, keine Freud, keine Angst; verlange aber nicht von ihm die Mitteilung über alle Dinge, welche ihn betreffen. Lass keine Eifersucht aufkommen über die Freude, die deines Mannes Herz und Leben ausfüllen. Wittre darum hinter seinem Schweigen keine Geheimnisse.« Alles klar?
Einen ganzen Strauß solcher - heute der Vergangenheit angehörenden - Regeln hatte Polko gebunden. Froh, dass sich die Zeiten geändert haben, hielt Gante eine interessante Statistik für die Zuhörer bereit: »Die Zahl der Frauen, die ihre Ehemänner schlagen, hat sich in den vergangen Jahren verdoppelt.“

Artikel vom 07.03.2006