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Die Feil-Methode: Empathie
statt Fall-Management

US-Therapeutin dozierte vor 250 Pflegeschülerinnen

Von Gerd Büntzly
Herford (HK). Was ist die Alzheimer-Krankheit? Wie gehe ich mit dementen Alten um? Wie werde ich fertig mit Senioren, die nur noch von Hass erfüllt scheinen und ihre Pfleger bedrohen und beschimpfen? Solchen Fragen stellte sich die Schöpferin des Konzeptes der Validation, Naomi Feil, die auf Einladung der Diakonistiftung einen ganzen Tag lang vor 250 meist jungen Pflegeschülerinnen und -schülern referierte.

Naomi Feil kommt aus den USA, wo sie seit 40 Jahren ihren Ansatz vertritt. Sie setzt sich dafür ein, vor allem auf die Gefühle der alten Menschen einzugehen, hält es dagegen für weniger wichtig, ihnen eine Realität einzubläuen, die für sie keine Bedeutung mehr hat. Eindrucksvoll war ihr Vortrag im Elisabeth von der Pfalz-Berufskolleg an der Löhrstraße vor allem dadurch, dass sie ihre schauspielerische Begabung einsetzte und den ganzen Jammer einer schlecht orientierten Alten vorspielte.
Anfangs mochten sich manche Zuhörer fragen, ob sich hier nicht eine alte Frau austobt, der es gefällt, sich in Szene zu setzen, gewissermaßen eine verhinderte Schauspielerin. Aber mit der Zeit wurde das Konzept deutlich: den vorgestellten Gefühlsausbrüchen konnte sich niemand entziehen, die Darstellung ging unter die Haut. Auf bisweilen drastische Weise führte Feil bei ihrem zweiten Besuch in Herford vor, dass man Alte nicht als »Fälle« betrachten darf, die beruflich-neutral zu behandeln sind, sondern dass es darum geht, mit Empathie ihre Leiden zu spiegeln und ihnen eine Basis für den Aufbau von Vertrauen zu geben.
Naomi Feil führte aus, dass es in jeder Lebensphase spezifische Aufgaben gibt, die zu lösen sind, um für die nächste Lebensphase zu reifen. Wen man aus inneren oder äußeren Zwängen heraus nicht in der Lage ist, diese Aufgaben zu lösen, melden diese sich im hohen Alter wieder und führen zu Demenzphänomenen. So müsse das Kleinkind lernen, Vertrauen zu haben, auch wenn die Mutter einmal weg ist; Jugendliche dagegen müssten rebellieren lernen, denn auch das gehöre zu einem geglückten Leben.
Den Konzepten Erik Eriksons, der diese Lebensaufgaben beschrieben hat, fügt Naomi Feil noch ein letztes hinzu: das des Aufarbeitens im hohen Alter. Gelängen diese Bearbeitung nicht, so würden die Alten zu »lebendigen Toten«, die sich in sich selbst verkriechen und nur noch vegetieren. Feil zeigte gangbare Wege auf, den Senioren bei der schwierigen Arbeit des Aufarbeitens behilflich zu sein, und versicherte, solch einfühlsamer Umgang führe zur Zufriedenheit für die Betroffenen wie auch die Betreuenden.

Artikel vom 04.03.2006