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»Wir müssen uns auf den Glauben besinnen«

Martin Hille ist 63 Jahre alt und verabschiedet sich an diesem Sonntag aus dem evangelischen Gemeindebezirk Dreyen. Foto: Antje Kreft

Der Diakon verabschiedet sich am Sonntag offiziell

Von Antje Kreft
Enger (EA). Mehr als drei Jahrzehnte lang hat Diakon Martin Hille in dem Engeraner Ortsteil Dreyen gewirkt. An Höhen und Tiefen erinnert er sich im nachfolgenden Interview. Er nennt auch Wünsche und Hoffnungen. Wie diese: Menschen müssten sich wieder mehr auf den Glauben besinnen.

Was hat Sie vor fast 33 Jahren nach Enger-Dreyen geführt?Hille: Ein Einzeiler im Mitteilungsblatt der Diakoniegemeinschaft des Theodor-Fliedner-Werkes in Mühlheim/Ruhr. Ich suchte damals eine Stelle mit einer größeren Wohnung. Unsere Familie wuchs.

An welche positiven Erfahrungen als Diakon denken Sie auch in 30 Jahren gerne zurück?Hille: In 30 Jahren würde ich 94 Jahre alt werden. Ob ich dann überhaupt noch lebe? Ernsthafte Antwort: Wie viele Menschen durfte ich in »Freud und Leid« begleiten. Wie unendlich viele, oft anstrengende, aber auch wunderschöne Begegnungen hat es gegeben. Wie viele herrliche Gottesdienste durfte ich in fast 33 Jahren für und mit Gemeindemitgliedern und mit unendlich vielen unterschiedlichen Mitarbeitern und aus den verschiedensten Anlässen feiern. Wer erinnert sich noch an den Gemeindekirchentag 1986, der in der gerade abgerissenen Bushalle gefeiert wurde? Und in der genau der Woche geschah das Unglück von Tschernobyl, das uns über elf Jahre hinweg junge Gäste aus Gomel/Weißrussland brachte. Osternachtsgottesdienste morgens um 5 Uhr mit den verschiedensten Chören und Bläsergruppen, wenn es bei Kerzenschein klang: Bleibet hier und wachet mit mir, wachet und betet. Und Gottesdienste zum Jahreswechsel in der Silvesternacht um 23 Uhr, Hubertusessen mit einem großen Hirschgeweih und Parforcehörnern.

Und die weniger guten Erfahrungen?Hille: Dass immer mehr Menschen meinen, ohne die Kirche leben zu können. Ich höre dann zwar immer wieder: Ich glaube ja an Gott, aber mit der Kirche habe ich nichts im Sinn. Gerade in diesen Tagen wird mir durch sehr aktuelle Ereignisse bewusst, wie wichtig es ist, dass wir alle uns wieder mehr auf unsere Kultur und damit auf unseren Glauben besinnen müssen, um andere Kulturen, anderen Glauben verstehen lernen zu können. Und genau da steht die Kirche als wichtiges Bindeglied, spricht in der Bibel Alten und Neuen Testamentes vom Glauben und vom Versagen der Menschen und davon, dass unser Gott sich uns immer wieder gnädig zuwendet.

Was macht für Sie das Amt eines Diakons aus?Hille: Die Umstand brachte es mit sich, dass mein Weg zum Seelsorger eines Gemeindebezirkes etwas aus dem üblichen Rahmen fiel. Fünf Jahre als Elektroinstallateur und vier Jahre Bundeswehr, erst danach Abitur und Ausbildung für den kirchlichen Bereich brachten auch andere Erfahrungen mit in das Amt. Insofern haben bei mir auch immer sehr stark die sozialen Belange in meinem Umfeld eine starke Rolle gespielt. Die Nähe zu vielen Neubürgern zum Beispiel in unserer Stadt war mitgeprägt durch die Möglichkeiten durch die durchgeführten Hilfstransporte auch andere Lebensbereiche kennen zu lernen und darum für manche Situation auch ein besonders Verständnis entwickeln zu können.

Was wünschen Sie den Engeranern?
Hille: Im Psalm 26,4 heißt es: »Herr ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.« Damit ist eigentlich die Antwort gegeben. Denn ich wünsche allen Engeranern, dass sie ihre Kirchen - gemeint ist hier natürlich insbesondere die Stiftskirche - nicht nur als museale Räume ihren Gästen anpreisen, sondern sie als sakrale Räume zum Segen für sich und ihre Familien nutzen, sie als »ihre Kirchen« sehen. Wenn die sich der musealen Gegebenheiten erfreuen und diese in Ehren halten, ist mir um Enger nicht bange.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?Hille: Der Beginn des Monats März war schon ein Einschnitt. Ich habe meine offiziellen Schlüssel und die Dienstsiegel im Gemeindeamt abgegeben. Nun darf ich mich verabschieden. Ich bin meiner Frau und den Kindern sehr dankbar, dass sie viel mitgetragen und ertragen haben, was ich ihnen hier und da zugemutet habe. Bald werden wir umziehen.

Wo zieht es Sie hin?Hille: Vielleicht kann ich hier und da Vertretung übernehmen. Im Kirchenlied heißt es: »Bis hierher hat mich Gott gebracht« - und dann im dritten Vers: »Hilf fernerweit, mein treuster Hort.« So wird es sein und darauf verlasse ich mich.

Artikel vom 04.03.2006