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Azubis üben mit Fußballprofis

Kicker von Dynamo Dresden waren die ersten Übernachtungsgäste im neuen »Aspethera«

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Als der Mannschaftsbus der Dynamos aus Dresden vor der Busdorfkirche stoppt, bekommen Spieler und Trainer erst einmal einen gehörigen Schreck. Ihr Mannschaftshotel gleicht von außen einer Baustelle.

Später beim Abendessen haben sie den kleinen Schock verdaut. »Zuerst war ich schon ziemlich irritiert«, schmunzelt Trainer Peter Pacult, »aber jetzt muss ich sagen, das Hotel ist sauber und o.k.«. 20 Akteure sowie drei Trainer und drei Betreuer des Fußballzweitligisten aus dem Osten sind vor dem Sonntag-Spiel beim heimischen SC Paderborn 07 die ersten Übernachtungsgäste im neuen Paderborner Drei-Sterne-Hotel Aspethera. Offiziell wird das Haus der Stiftung Kolping-Forum erst in zwei Wochen eröffnet, doch der Betrieb hat bereits am Freitag begonnen.
Schon vor den Fußballprofis treffen 18 Teilnehmer eines Seminars für Fachwirte im Sozial- und Gesundheitswesen ein. Am Abend rücken rund 60 Alte Herren zum Stammtisch der Studentenverbindung Guestfalo-Silesia an. »Puh«, bekennt die Stiftungs-Vorsitzende Regina Schafmeister, »langsam wird's hektisch«.
Was vor allem Küchenchef Rudolf Kruse zu spüren bekommt. Seine »Menü-Zauberwerkstatt« gleicht mittags noch einem Schlachtfeld und sieht am Abend kaum besser aus. »Wir mussten die Handwerker förmlich vertreiben«, erzählt der Maitre. Da ist Improvisationstalent am Herd gefragt. Wovon die Dynamo-Kicker allerdings nichts merken. Ihr Abendessen - Rinderkraftsuppe, Salatbüffet, Rumpsteak, Victoria-Barsch, überbackene Putenschnitzel, Reis, Kartoffeln, Spätzle, Karamelpudding, Obstsalat mit Schokoladensoße - kommt pünktlich auf den Tisch. »Das war echt gut«, schickte Mittelfeldmann Ivo Ulich beim anschließenden Espresso an der Bar einen Gruß in Richtung Küche.
»Vor allem unsere Azubis haben prima mitgezogen«, freut sich Hoteldirektor Alexander Döbele über den trotz kleiner Pannen gelungenen Start. Der 38-Jährige war in verschiedenen Häusern im Schwarzwald tätig, unter anderem im Europapark Rust, und ist seit Dezember in Paderborn.
Mit dem Aspethera leitet er kein gewöhnliches Hotel. In einem vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Modellprojekt erhalten hier Jugendliche eine Chance, die auf dem freien Markt keinen Ausbildungsplatz bekämen. »Wir bieten bis zu 60 Plätze in Ausbildungsverhältnissen, Praktika und Qualifizierungsmaßnahmen für benachteiligte Jugendliche«, erläutert Regina Schafmeister. Zurzeit arbeiten im Aspethera zehn angehende Köche, Hotel- und Restaurantfachleute, das Stammpersonal besteht momentan aus 16 Leuten. In dieser Woche kommen vier Praktikanten dazu.
»Wir wollen die Jugendlichen so weit bringen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt bestehen können und unsere Gäste nichts vermissen«, formuliert Schafmeister das Ziel. Direktor Döbele legt die Messlatte noch ein Stück höher: »Wir streben einen Drei-Sterne-Plus-Standard an. Der Ruf unseres Hauses muss so gut werden, dass andere Hotels und Restaurants unsere Auszubildenden mit Kusshand nehmen. Alle sind hoch motiviert.«
Die 20-jährige Daria Kramer teilt diesen Ehrgeiz. Mit Verspätung begann sie am 22. Februar im Aspethera ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau. Das halbe Jahr, das ihr fehlt, will sie durch besonderen Fleiß nachholen und dann ihre Ausbildung in zweieinhalb Jahren abschließen. »Ich glaube, dass ich das schaffe«, versprüht sie freundlich lächelnd Selbstbewusstsein. Dass ihre ersten Gäste gleich »Promis« sind, hat sie »nur ein klein bisschen nervös gemacht«.
Die Dresdner Kicker lächeln freundlich zurück, als Daria ihnen das Essen serviert.

Artikel vom 06.03.2006