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»Große Lösung«
der Etatprobleme
nicht in Sicht

Vielstündige Debatte im Kreistag

Kreis Herford (pjs). In ihren Haushaltsreden nahmen die Vorsitzenden der fünf im Kreistag vertretenen Parteien gestern vor zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern Stellung zur finanziellen Situation des Kreises und zu den vorgesehenen Sparmaßnahmen.

Die Umstellung zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement sei zwar erfolgreich bewältigt worden, die neue Haushaltsform werde aber nicht automatisch mehr Geld in die Kasse spülen, merkte CDU-Fraktionsvorsitzender Bernd Deppermann an. Die »maßvolle Erhöhung« der Kreisumlage bezeichnete er bei allem Verständnis für die Städte und Gemeinden als »zwingend erforderlich«. Denn: »Der Haushalt des Kreises ist seit 2002 strukturell unausgeglichen.« Nur durch Verwendung der Mittel aus dem EMR-Anteilsverkauf habe die Kreisumlage lange Zeit extrem niedrig gehalten werden können: »Doch nun ist das Geld alle und das neue Haushaltsrecht eröffnet auch derartige Möglichkeit nicht mehr.« Der Anstieg der Verschuldung von 23,5 Mio. Euro in 2003 auf nunmehr fast die doppelte Höhe sei nur vertretbar mit Blick auf die kritische Lage der kreisangehörigen Kommunen: »Eine Alternative zu diesen Schulden wäre nur eine weitere Anhebung der Kreisumlage.« Deppermann kritisierte die Haltung der SPD, die zu Beginn der Etatberatungen selbst massive Einschnitte bei den freiwilligen Leistungen verlangt, sich später aber auf die Seite der Betroffenen geschlagen habe. Den Vorwurf der SPD, die bürgerlichen Parteien schadeten mit ihren Kürzungsvorschlägen der Sache des Sports, wertete Deppermann als »Populismus in Reinform«, denn der Etatansatz für den Sport liege in der Höhe sogar über dem von 2005. Ein Vorteil des Haushaltsentwurfs sei, dass er den Gang in die Haushaltssicherung vermeide. Der Landrätin sei es gelungen, auch mit eingeschränkten Mitteln den Kreis Herford weiterzuentwickeln und voranzubringen, lobte er .
Die SPD vermisse beim Haushalt Transparenz und bewährte Beratungsabläufe, kritisierte deren Fraktionsvorsitzender Hans Stüwe: »Der dramatische Vermögensverzehr und das Teppen in die Schuldenfalle nun auch auf der Ebene des Kreises ist nicht länger zu verschleiern.« Der Haushaltsentwurf sei weder zukunftsfähig noch seriös, weder gemeinde- noch wirtschaftsfreundlich, so Stüwe weiter. Das strukturelle Defizit des Kreises liege von 2002 bis 2006 in der Summe bei 60 Mio. Euro und hier sei keine grundlegende Trendwende in Sicht. Der vorgelegte Stellenplan schreibe die Probleme des Altersaufbaus der Personalstruktur einfach fort, ohne Lösungsmöglichkeiten für die Jugend zu entwickeln. Für die wünschenswerte »große Lösung« der Finanzprobleme habe die SPD in Gesprächen mit der CDU keine vertrauensvolle Basis gefunden. Die Kürzungsliste von CDU, FDP und FW bezeichnete Stüwe als »politische Kurzschlussreaktion«. Der Kreis benötige eine solide Finanzbasis und das Vertrauen seiner Kommunen, warb er dafür, das Haushaltssicherungs-Verfahren zu eröffnen.
Konsequente Kostensenkung forderte FDP-Fraktionsvorsitzender Stephen Paul in seiner Haushaltsrede: Seine Partei mache mit dem einheitlichen Betrieb »Bauhof im Kreis Herford« einen neuen Vorschlag: »Bei dieser Lösung muss keiner mehr was abgeben, alle werden Gewinner sein.« Alle Zuschüsse des Kreises müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Als Alternative zur gewohnten öffentlichen Förderung sei es wichtig, dass die mit der FDP angestoßene Stiftung »Zukunft im Wittekindskreis« in Gang komme. Angesichts des offenbar noch zu geringen Anteils privater Zustiftungen, sagte Paul: »So, wie wir es vorhatten, wird es wohl nichts werden. Wir sind offen dafür, eine kleinere Stiftung zu schaffen und das übrige Vermögen an anderer Stelle langfristig für öffentliche Zwecke zu sichern.« So könne das Geld vielleicht schon bald als Kapitaleinlage für einen kommunalen Betrieb sinnvoll eingesetzt werden. Die Erhöhung der Kreisumlage bezeichnete Paul als einmalige Angelegenheit: »Danach ist für uns definitiv Schluss.«
»Keine Partei im Kreistag hätte angesichts der äußeren Rahmenbedingungen das strukturelle Defizit deutlich verringern könnte«, zeigte sich Angela Holstiege (Grüne) überzeugt. Die Rahmenbedingungen seien von den Parteien gesetzt worden, die sich beispielsweise gegen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen hätten. Die Grünen stimmten gegen den Haushalt, weil sie bei einzelnen Ausgaben und Kürzungen anderer Meinung seien.
Angesichts der Schwierigkeiten überschuldeter Haushalte und zunehmender Arbeitslosigkeit sähen die Grünen Kürzungen bei der Schuldener-, Ehe- und Familienberatung, bei Drogenberatung und bei Pro Familia als falsch an: »Wenn auch nur eine Familie ihre Erziehungsfähigkeit verliert, weil ihr in einer akuten Krisensituation eine Hilfestellung fehlt, kommt das den Kreis doch viel teurer.« Die Einsparvorschläge der drei Fraktionen bezeichnete sie als »reichlich hemdsärmelig und selbstherrlich«. Als Einsparvorschlag nannte Holstiege die Schließung des Dobergmuseums in Bünde. Publikumsmagnet sei das Naturkundemuseum im nahen Osnabrück: »Das besitzt mehr Rippen von derselben Seekuh als das Dobergmuseum.« Zum Thema »Sport«: »Hier sollte sich der Kreis aus der Förderung herausziehen, bis auf die Gewährung von Übungsleiterzuschüssen.«
Keine Alternative zur Erhöhung der Kreisumlage sah Eckard Gläsker (Freie Wähler). Die von den Städten geforderten Maßnahmen zur Haushaltssanierung seien entweder nicht realisierbar oder bereits erfolgt. Zum Thema »Nordwestdeutsche Philharmonie« sagte Gläsker: »Auch dieser Art von Kulturträgern muss erkenntlich sein, dass bei immer knapper werdenden öffentlichen Kassen der Eigenverantwortung wieder mehr Bedeutung zukommt.«

Artikel vom 04.03.2006