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Kunstsammler Jan Ahlers bei seiner Eröffnungsansprache. Im Hintergrund die Original-Zeitung, in der Yves Klein seinen legendären »Sprung ins Leere« dokumentiert.

Jan Ahlers: Fasziniert von der Farbe Blau

»Der Sprung ins Leere«: Ahlers-Stiftung zeigt Yves Klein im neu erworbenen Museum Hannover

Von Helga Ruß
Hannover/Herford. Jan A. Ahlers, kunstbegeisterter Bekleidungsunternehmer aus Herford, hat am Wochenende in Hannover eine viel beachtete Kunstausstellung mit dem Titel »Yves Klein - Der Sprung ins Leere« eröffnet. In den ehemaligen Räumen der Kestnergesellschaft, deren Immobilie er erworben hatte, richtete er ein kleines Museum ein, in dem noch bis zum 18. Juni die Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte Werke des früh verstorbenen französischen Künstlers Yves Klein (1928 - 1962) und seiner Weggefährten des Nouveau Réalisme zeigt. Die Exponate stammen überwiegend aus der Ahlers-Sammlung.

»Den Anstoß zu dieser Ausstellung hat mir Alfred Schmela gegeben. Eigentlich den Anti-Anstoß«, meinte Jan Ahlers in seiner Begrüßungsansprache, »denn ich verlachte ihn, als er mir im Jahre 1968 ein Bild von Yves Klein verkaufen wollte. Aber ich habe Yves Klein immer unter meinem Sammler-Herz verborgen - er faszinierte mich, doch ich wagte mich nicht an ihn heran. Vielleicht, weil er Judokämpfer war und ich ein Anti-Sportler. Aber da war die Farbe Blau, sein IKB-Blau, der Blaue Reiter und der Turm der Blauen Pferde. Und die Blaue Blume der Romantik, der Blaue Denim, unserer Jeans von Pioneer, Otto Kern oder Pierre Cardin und das Blauzeug, mit dem mein Vater sein Geld verdiente, die unvergessenen, bis heute erfolgreichen Blaumänner der Marke Ahlers Pionier Berufskleidung. Die Farbe Blau hat mich zeitlebens fasziniert, irritiert, zugleich beunruhigt und beruhigt. Allerdings«, so meinte Jan Ahlers schmunzelnd, »haben das Blaustrümpfe nie getan, eher blaue Engel.«
Die Schau in Hannover zeigt in einem Extra-Raum die Werke von »Yves, le Monochrome«, dem Maler und Performance-Künstler Klein, dessen Lieblingsfarbe Blau war. Er schuf sich ein eigenes, aus reinem Pigment bestehendes, kräftiges Ultramarinblau, das IKB, International Klein Blue, das er sich sogar patentieren ließ. Es wird überliefert, dass er, als er einmal am Strand in seiner Heimatstadt Nizza den azurblauen Himmel betrachtete, diesen als ein Gemälde empfand. Keine Linien, keine Flächen, keine Gegenstände. Aber dafür ein grenzenloses, weites Blau. Es ging so weit, dass er sich schrecklich ärgerte, wenn Schwäne am Himmel vorbeizogen, die das Bild zerstörten, zerschnitten. Aus dieser Erkenntnis entstanden Yves Kleins monochrome Bilder, Farbflächen ohne Rahmen, ohne Linien. Das Strahlen der reinen Farbe sollte für den Betrachter sinnlich und spirituell erfahrbar werden, und die Leere ihm die Möglichkeit bieten, still sich selbst zu begegnen, das Erlebnis meditativer Versenkung zu spüren. Schon Picasso hatte einst gesagt »Ich male die Dinge, wie ich sie denke und nicht, wie ich sie sehe.«
Der Sammler Jan Ahlers tat sich am Anfang genauso schwer mit der modernen Kunst wie viele andere Kunstinteressierte. »Ich sah in Düsseldorf Nagelbilder von Uecker, speiste seltsame Gerichte bei Daniel Spoerri. ÝEat ArtÜ war ein neues Lachwort, das ich nicht ernst nehmen wollte, und das Werkgefülle von Arman war mir vollends fremd. Eine große Liebe zerbrach, und ich zog mich zurück in die ostwestfälische Provinz, aus der mich erst später Johannes Rau befreite - ich solle aus dem Fenster springen, ein Yves Klein habe das auch getan.«
Er meinte Yves Kleins legendären, mittels Fotomontage initiierten Sprung ins Leere. Als gallischer Ikarus umarmt Klein den Kosmos und führt die Vermählung von Kunst und Leben vor Augen. Den Sprung vom 27. November 1960 dokumentierte er in einer nur für diesen Aktionstag herausgegebenen Zeitung, die heute ein begehrtes Sammler-Objekt ist.
Jan Ahlers hörte, wie er weiter erzählte, noch einmal in New York von Yves Klein, in einer Galerie, die auch für Frieda Kahlo warb und Bill Copley. »Doch damals war das nur Un-Kunst für mich und nicht beachtenswert, schon gar nicht erwerbenswert, leider«, bedauert der Kunstsammler heute. »Aber Gabriele Münter hatte mich schon früh darauf hingewiesen, Kunst niemals eng zu sehen.« So fand er erst spät zu Yves Klein. Mit dessen Weggefährten Jacques Villeglé verbindet ihn eine stille Freundschaft, »und ihm habe ich es zu verdanken, dass ich die neuen Realisten schätzen lernte«.
Neun dieser »Nouveaux Réalistes« sind nun neben Klein in der Ausstellung der Ahlers-Stiftung zu sehen: Arman, der durch seine Akkumulationen bekannte Objektkünstler; César, der mit seinen Kompressionen und Expansionen Furore machte; Deschamps, ein mit Textilien arbeitender Objektkünstler; Dufrêne und Villeglé, durch ihre DecollagenÊbekannt; Hains und Rotella, aufgefallen durch ihre Plakat-Abrisse; Spoerri, der Objektkünstler, und Raysse, der Leinwand und Neon gern als Ready-Mades einsetzt. Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich.

Artikel vom 02.03.2006