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Das Wort zum Sonntag

Von Religionspädagogin Barbara Kynast


»Unser Leben sei ein Fest...!«, das sagt sich, das singt sich so leicht - doch welcher nachdenkliche Mensch in unserer Gesellschaft hat damit nicht so seine Schwierigkeiten?
- »Max hat sich ein neues Auto gekauft, das wollen wir heute Abend feiern.«
- »Kommst du Freitag so gegen 19 Uhr? Wir feiern Heidis neue Küche.«
- »Am Samstagabend wollen wir feiern, einfach so, ohne Anlass. Es wäre schön, dich dabei zu haben.«
- »Müllers feiern ihren neuen Balkon.«
- »Endlich Wochenende! Feiern, bis der Arzt kommt.«
Um mich herum - ein nicht enden wollendes Gefeiere und Gefeste, ohne dass ein gewichtiger Anlass zu erkennen wäre. Jeder Verein, jeder Ort, jede Familie, jede Gruppierung und jede Altersgruppe entwirft und gestaltet Feste nach eigenem Ermessen. Einziges Ziel: Vergnügen!
Feiern ist »in«. Eigentlich prima, denn: Menschen feiern gerne. In Ost und West, in Nord und Süd ist das allen Gesellschaften, Völkern, Kulturen und Generationen gemeinsam.
Feste feiern. Das hatte zu allen Zeiten einen angenehmen Beigeschmack. Viele stimmte das Feiern froh. Doch wer heute näher hinschaut, entdeckt: Das ist nur die halbe Wahrheit. Wir haben es verlernt zu feiern. Eine wesentliche Dimension unseres Lebens ist verloren gegangen. Feiern ist für viele keine Lust mehr, sondern Last und endet nicht selten mit einem fürchterlichen Kater.
Woran liegt es, dass Feste ihren herausragenden Charakter verloren haben? Sicher ist es nicht nur die Schnelllebigkeit und Hetze all unseren Tuns. Wir feiern zu oft und zu viel. Inflation der Feste! Der eigentliche Festanlass wird oft nicht mehr verstanden - das gilt auch oder gerade für christliche Feste.
Weihnachtsschmuck im September, Osterhasen sofort nach Karneval oder - wie auf einer Dekorationsmesse - Ostereier gleich am Weihnachtsbaum. Kirchliche Feste - für viele nur eine weitere Dekoidee unter der Rubrik »Schöner wohnen«.
Ehemals noch besondere Nahrungsmittel, die zum Fest gehörten, sind für uns heute allzeit verfügbar. Materieller Wohlstand und ein individueller Lebensstil erlauben es uns, Feste auf eigene Weise und zu eigener Zeit zu feiern. Freude und Glück scheinen käuflich und machbar zu sein. Organisation von und Animation bei Festen überlässt man oft professionellen Party-Unternehmen. Auch die Kirchen sind als Dienstleister gefragt. So ist der unverbindliche »Feiertags-Gott« ein gern gesehener Gast bei Familienfeiern wie zum Beispiel Taufe und Hochzeit.
Selbst Kinder wissen häufig nicht mehr, wie sie ihren Geburtstag feiern sollen. Das Resultat sind dann Besuche im Zoo, Schiffstouren, Kegeln und Essen bei McDonalds, weil viele Erwachsene auch keine Alternativen kennen und den Kindern nur selten Anregungen zum echten Feiern bieten können.
Und: Wer kennt sie nicht, die Öde der Party-Kultur! Alle stehen scheinbar locker und entspannt herum, es wird viel und breit gelacht. Konsumieren von Getränken, Delikatessen und Tabakwaren. So genannter »Small-talk«! Oberflächliches und nichtssagendes Geplauder! Keine/r weiß so recht mit der/dem anderen etwas anzufangen. Die Spaß-Gesellschaft lässt grüßen. Wie langweilig! Wie blöde! Kein Wunder, dass dieser Art zu feiern die Luft ausgeht. Es fehlt an Tiefe, Verinnerlichung und Nachhaltigkeit.
Und dennoch: »Unser Leben sei ein Fest...!« - Wider die Inflation von Festen! Machen wir uns stark für die Wiedergewinnung einer verlorenen Dimension unseres Lebens! Denn: »Feste sind Oasen auf dem Lebensweg!« (Phil Bosmans) Feste zu feiern ist menschlich und ich glaube, es ist nur menschlich und unmenschlich, es nicht zu tun. Weder Sterne, Meere, Steine noch Pflanzen noch Tiere feiern. Feste feiern ist wichtig und richtig, ja notwendig. Um Menschen zu bleiben, müssen wir bewusst in den Lebens-Lauf eingreifen, die Geschäftigkeit des Alltags unterbrechen, Zäsuren schaffen, innehalten, unser Leben »fest« machen, ein Fest feiern. Geglückte Feste durchbrechen das Einerlei der Tage, lassen uns wieder neue Energie tanken und geben frische Impulse für das Leben. Auch schaffen sie einen größeren Vorrat an schönen Erinnerungen - seelischer Proviant für spätere Notzeiten.
Darum lassen Sie uns wieder feiern lernen durch Rückbesinnung auf Altes: Das Wissen darum, dass unser Leben geprägt ist durch den oft gleichförmigen und anstrengenden Alltag. Und dass wir uns darüber hinausheben lassen müssen in eine Welt, die uns dem Heiligen, Göttlichen näher bringt. Nur so bekommt unser Leben Sinn, Halt, Orientierung, ja Lebensqualität.
»Kein Fest ohne Gott - mag es der Karneval sein oder die Hochzeitsfeier«, schreibt der Philosoph Josef Pieper. Das ist für mich die Einladung, den Festen des christlichen Kirchenjahres nachzuspüren und sie zu feiern. Sie erzählen vom Leben und Wirken des Jesus von Nazaret. Durch ihn können wir Gott mitten in unserer Welt spüren und erfahren. Damit verknüpft sind Erinnerungsfeste an Menschen der vergangenen 2000 Jahre, die von Jesus und seinem Gott fasziniert waren und versucht haben, sein Programm zu realisieren.
Christliche Feste sind somit eine Brücke zum Leben und zu einem lebbaren Glauben. Sie sind notwendig, weil heilsam, lebensschaffend, lebensförderlich, lebensbejahend. Mir vermitteln sie ein unerschütterliches Vertrauen in das Leben, weil ich gehalten bin von der Treue und Zuwendung eines liebenden Gottes!
»Unser Leben sei ein Fest...!« Nicht von ungefähr stellt der Evangelist Johannes an den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu die Geschichte von der Hochzeit zu Kana (Joh 2, 1-12). »Wasser wird zu Wein« - das erste Zeichen, das Jesus tut. Es sagt mir, dass dort, wo Jesus eingeladen, zugelassen wird, sich immer wieder Wasser zu Wein verwandelt, das Leben zu einem Fest werden kann!

Artikel vom 25.02.2006