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»Die Barbarisierung geschah schleichend«

Wirtschaftshistoriker Dieter Ziegler schrieb über Verstrickungen der Dresdner Bank in der NS-Zeit

Von Stefan Küppers (Text und Foto)
Werther (WB). An einer bundesweit stark beachteten Forschungsarbeit zur Verstrickung der Dresdener Bank mit dem NS-Regime im Dritten Reich hat mit Prof. Dr. Dieter Ziegler ein Wertheraner maßgeblich mitgewirkt.

Die Geschichte dieser Geschichtsarbeit reicht zurück bis ins Jahr 1997, als die Dresdner Bank ihren 125. Geburtstag feierte. Die dunklen Seiten der Unternehmensgeschichte wurden bei diesem Jubiläum noch dezent ausgeblendet, was Journalisten kritisch aufgriffen. Ein TV-Beitrag mit dem provozierenden Titel »Das braune Band der Sympathie« war ein Anstoß für die Bank, die Vergangenheit intensiver zu betrachten. Hinzu kamen die teuren Klagen aus den USA gegen die Bereicherung von Banken an jüdischem Vermögen.
Der Wirtschaftshistoriker Ziegler wurde zusammen mit Dr. Johannes Bähr (Berlin) und Dr. Harald Wixforth (Bielefeld) für das Forschungsteam um Dr. Klaus-Dietmar Henke (Direktor Hannah-Arendt-Institut) ausgewählt, das seit 1998 die Geschichte der Dresdner Bank unabhängig aufarbeitete. Unabhängig deshalb, so betont Ziegler, weil er und seine Kollegen als Angestellte des Freistaates Sachsen bezahlt wurden. Die Bank selbst kostete das Projekt etwa 1,6 Millionen Euro.
Ziegler selbst arbeitete etwa zwei Jahre an dem Projekt und betrachtet es auch für sich als Gewinn: »Ich verstehe jetzt besser, warum sich Unternehmer, die von Haus aus keine Nazis waren, sich so in den Dienst des Systems gestellt haben.« Ob es um die »Entjudung« unter den Bankangestellten ging, die »Arisierung« von jüdischem Vermögen, die Übervorteilung bei Betriebsrenten oder auch um große Kredite für die SS ging, mit denen auch die massenmordende Arbeit der Einsatzgruppen finanziert wurde: Bei all diesen Vorgängen, so weiß Ziegler, habe es von 1933 an in der Dresdner Bank eine schleichende »Barbarisierung« gegeben.
Anfangs habe die Ethik bei den meisten Verantwortlichen noch funktioniert. Dann aber, spätestens ab 1938 , seien Schleusen geöffnet worden, sei die Unternehmensethik abgeglitten. Unter dem Motto »Wenn wir es nicht machen, machen's andere« seien Juden von und mit Hilfe der Bank übervorteilt worden. Auch über die Vernichtungspolitik der Nazis hätten wohl auch einige wenige in der Bank konkret Bescheid gewusst.
Ziegler und seine Kollegen haben insgesamt zwölf Kilometer lange Akten der Bank gesichtet, haben zudem 50 Archive zwischen Moskau und Washington besucht.
Ziegler weiß, dass man die Rolle der damaligen Vorstandsmitglieder Dresdner Bank differenziert sehen muss. Es gab überzeugte Nazis, Opportunisten und auch Männer mit erheblichen Skrupeln. Auf zweiter und dritter Ebene gab es auch Mitarbeiter, die bewusst »Sand ins Getriebe streuten«. Es blieben aber Einzelfälle.
Zieglers Fazit aus der schleichenden Barbarisierung: »Das passiert Menschen, wenn sie sich kein ethisches Grundgerüst geben. Auch für wirtschaftliches Handeln müssen ethische Standards gelten, egal wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln.« Dies könnte eine Wirkung dieser Arbeit auch in das Unternehmen von heute sein.

Artikel vom 24.02.2006