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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Reinhard Bogdan


Helau und Alaaf, wieder Karneval! Eigentlich komme ich ja aus Hamburg und da fand man - jedenfalls zu meiner Zeit - dass Karneval etwas völlig Seltsames, etwas völlig Unsinniges sei. Nach über 16 Jahren Stukenbrock habe ich mich daran nun nicht nur gewöhnt - ja, ich finde es manchmal ganz nett. Wir sind jetzt gerade sogar in Köln gewesen - ich habe schon vor einiger Zeit einmal gesagt, einmal muss man das wohl in Köln erleben - und tatsächlich hat es geklappt; eine Freundin hat uns Karten besorgt und wir sind zu viert dorthin gefahren. Was soll ich sagen, es war gut, witzig, gehaltvoll, komisch und ausgelassen. Hätte ich so nicht gedacht! Gut, meine Frau und ich fanden das schon sehr gewöhnungsbedürftig, in Köln in Verkleidung mit den öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren. Es war uns peinlich - aber es ging. Ja, wenn man sich umschaute, war die Hälfte aller Kölner in den U- und Straßenbahnen verkleidet. Erst einmal befremdlich. Aber dann. . .
Was ist das nur, in andere Rollen schlüpfen, alle spielen jemanden anders und bleiben doch sie selber, fremde Menschen feiern und lachen miteinander. Man lernt sich kennen, wenn auch nur für ein paar Stunden. Alle sind lustig oder zumindest freundlich, und es ist überhaupt kein Problem, Fünfe gerade sein zu lassen.
Früher hätte ich wohl verächtlich »alberner Mummenschanz« wenn nicht gesagt, so doch bei mir gedacht. Langsam denke ich, dass der ganze Karneval eigentlich eine hoch ehrliche Sache ist: Im Grunde halten wir uns selber den Alltag wie einen Spiegel vor, denn mal ehrlich, wir sind doch alle täglich verkleidet, tragen täglich Masken. Natürlich selten die Teufels-, Skelett- oder Vampirsmaske. Unsere Standardmaske ist doch: die »Ich-habe-alles-im-Griff-Maske«, oder die »Kein-Problem-das-bekomme-ich-alleine-hin-Maske« oder die »Mich-kann-keiner-unterkriegen-Maske«. Denn »der Mensch sieht was vor Augen ist - der HERR aber sieht das Herz an« (I. Samuel 16,7).
Eigentlich eine
ehrliche Sache
Was ein Glück. Wenigstens IHM kann ich alles klagen, was ich sonst nicht zu sagen wage, ER hört zu, immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit! Wie ich das merke? Oft erst im Rückblick, wenn ich auf eine meiner Wegstrecken zurückschaue verstehe ich, dass mir manche Wege, die ich einschlagen wollte versperrt blieben, dass ich andere Wege geschoben wurde, die ich nicht gehen wollte, dass ich in Löcher gefallen bin, in die ich nicht hineinfallen wollte, und dass ich nur einige Wege, die ich gegangen bin, auch selber gehen wollte. Und dann merke ich, dass sich einfach vieles gut gefügt hat, dass manches, was ich in den Löchern meines Lebens gelernt habe, für andere Zeiten kostbare Erfahrungen wurden, und dass oft die Wege, die ich getrieben wurde, sich dann doch als goldrichtig herausgestellt haben.
Nicht oft, aber manchmal wird mir schon deutlich, dass alle Schritte, die ich gehe, nicht meine eigenen sind, sondern dass da ein ANDERER seine Finger mit im Spiel hat.
Wieder Karneval, hier machen wir uns lustig über uns selber und die vielen Rollen und Wege, die wir irren und die, die wir richtig gehen. Im Karneval fallen die Masken leicht ab. Sie bieten uns die Möglichkeit, unseren täglichen Alltagsmasken zu entfliehen und vielleicht mal richtig ausgelassen zu werden und andere Seiten an uns selber kennen zu lernen oder anderen zu zeigen.
Also mal ehrlich, so langsam finde ich Karneval richtig gut - erzählen sie das aber bitte niemandem aus meiner Hamburger Familie.

Ihnen ein gesegnetes und fröhliches (Karnevals-) Wochenende, vielleicht sehen wir uns ja auch in der Kirche,Ihr Pfarrer Reinhard E. Bogdan

Artikel vom 25.02.2006