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In der blauen Grotte Schnaps »getankt«

Geschichten von Straßen und Häusern in Sundern im Erzählcafé - Abtei mischte sich ein


Von Mathis Vogel
Hiddenhausen-Sundern (HK). Das Erzählcafé in der Sunderaner Kirche ist mittlerweile eine Institution und hat schon etliche Stammgäste für sich gewinnen können. Es lebt von den Themenvorschlägen seiner Besucher.
Nachdem sich die knapp 30 Besucher Samstag im Gemeindehaus bei Kaffee und Kuchen zusammengefunden hatten, wurden sie von Pfarrer Kai-Uwe Spanhofer gebeten, sich in der Kirche zu versammeln, um die Vorträge der Referenten zu hören. Manfred Hörstmann gestaltete die Einleitung mit Geschichten zur Entstehung von Straßennamen in Sundern, den Hauptvortrag hielt Günter Lücking unter dem Motto »Rund um die Bünder Straße«.
Die Besucher staunten zuerst nicht schlecht, als Manfred Hörstmann den Ursprung des Wortes »Sundern« mit »absondern« erklärte. Damit meinte man allerdings lediglich das Absondern der zur Zeit des Herforder Damenstiftes auf dem Sundern gelegenen Waldgebiete von der allgemeinen Nutzung. »Die Äbtissinnen rissen sich Sundern unter den Nagel«, verkürzte Hörstmann.
Von 832 bis 1803 regierten die Äbtissinnen auf dem Sundern und aus dieser Zeit stammen auch viele der heute noch gebräuchlichen Straßennamen. »Im oberen Sundern« leitet sich zum Beispiel von der Aufteilung des Dorfes in oberes und unteres Sundern ab. Das untere Sundern bezeichnete den Bereich des Füllenbruchs, das zum Bau der ersten Höfe wegen seiner ständig feuchten Wiesen unbrauchbar war. Gesiedelt wurde zuerst nur im oberen Sundern.
Der »Bünder Landweg« war einst die Hauptverbindung von Herford nach Bünde und bog erst auf Höhe von Lippinghausen in den heutigen Verlauf der Bünder Straße ein.
Beim Stichwort »Bünder Straße« griff Günter Lücking zum Rednermikrofon und ermunterte die Zuhörer in lockerer Art zum Mitreden und Erinnern. Er hatte viele Fotos mitgebracht, die das frühere und heutige Leben an der erst 1845 ausgebauten Straße dokumentierten. Günter Lücking begann in seinen Ausführungen mit einem Abschnitt der Straße, die auf Herforder Gebiet liegt, in Höhe des Güterbahnhofs. Er erinnerte an eine Sackfabrik und eine Gärtnerei auf dem SULO-Gelände und fragte darauf in die Runde: »Wer erinnert sich denn noch an die drei Wohnhäuser an diesem Abschnitt der Bünder Straße?«. Viele der Besucher erinnerten sich - nicht nur daran. So blickten sie wehmütig in die Zeit der Herforder Kleinbahn zurück, mit der jeder einmal gefahren war, oder Bekannte und Verwandte hatte, die für die Kleinbahn arbeiteten.
Ein Foto der Mc Donalds-Filiale dokumentierte den Wandel an der Bünder Straße und gab Lücking Anlass, einen historischen Bogen zu spannen: »Wenn unsere Großeltern heute aus dem Grab stiegen, würde sie zuerst das Mc Donalds Logo verwirren und dann würden sie sich fragen, warum man für das Turnen Geld bezahlen muss«, scherzte er über Schnellrestaurant und Fitness-Center.
Die Bedeutung der Skulptur vor dem Hauptgebäude des Recyclingunternehmens Wachtmann konnte auch Lücking nicht erklären. Es sei eine Skulptur aus alten DDR-Beständen, die die Firma hätte einschmelzen sollen. So ziert, vor dem Schmelzofen bewahrt, das einstige Symbol sozialistischer Macht heute den Standort.
Doch nicht nur die Sozialisten hinterließen Spuren in Sundern. In den Geschäftsräumen des Hauses an der Bünder Straße 23 befand sich zu NS-Zeiten das Büro der örtlichen NSDAP. Darüber würde selten geredet, doch auch dieses Kapitel gehöre zur Geschichte Sunderns, sagte Lücking.
Doch auch von amüsanten Anekdoten, wie die der ehemaligen Tankstelle auf dem Grundstück der heutigen Lackiererei Hein+Mantek wusste der Referent zu erzählen. »Die blaue Grotte« habe die Tankstelle im Volksmund geheißen. Ob aufgrund der blauen Markenfarbe von Aral oder der Tatsache, dass hier unter Freunden der eine oder andere Schnaps getrunken wurde, ließ Lücking mit einem Schmunzeln im Raum stehen. Die knapp bemessene Zeit erlaubte es nicht mehr, alle Fotos zu zeigen und so schlug Günter Lücking vor, die restlichen Fotos vor dem eigentlichen Referat beim nächsten Erzählcafé am 11. März zu präsentieren.

Artikel vom 21.02.2006