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»Öffnung der
City löst nicht
alle Probleme«

CDU-Diskussion zur Fußgängerzone

Steinheim (nf). Die zahlreichen Zuhörer bei der Bürgerversammlung im Hotel am Markt zeigten: Das Thema Zukunft der Innenstadt und Öffnung der Fußgängerzone lässt keinen mehr kalt. Eingeladen hatten der Stadt- und der Ortsverband der CDU, obwohl es keine Parteiveranstaltung sein sollte, sondern ein Beitrag zur Meinungsbildung, wie Stadtverbandsvorsitzender Peter Lipka anmerkte und zu einer sachlichen Diskussion aufforderte.

Lipka wies auf die gespaltene öffentliche Meinung hin, die von einer völligen Ablehnung einer Öffnung bis zur Ansicht reiche, dass die jetzige Diskussion viel zu spät komme und schon zehn Jahre früher erfolgen musste. In den Redebeiträgen kam am Ende zum Ausdruck, dass die Öffnung der Fußgängerzone kein Allheilmittel sein könne, dass sich die Gewerbetreibenden davon aber dennoch einiges erhoffen. Es gab aber auch mahnende Worte, nichts zu übereilen und den Ruhecharakter der Innenstadt nicht zu gefährden, der durch die Gestaltung des Kirchenvorplatzes und die Außengastronomie gerade geschaffen wurde.
Bürgermeister Joachim Franzke machte deutlich, dass es keine einfachen Antworten und schon gar keinen Königsweg gebe, wie das die gleich gelagerten Probleme in anderen Städten zeigten und die sich ebenfalls um geeignete Konzepte mühten. In einem Papier hatte die IHK das grundlegende Dilemma aufgezeigt, dass der klassische Einzelhandel in Konkurrenz mit dem Discounter auf der grünen Wiese immer mehr Boden verliere. Es gebe daher sowohl für eine Öffnung ein Pro (mehr Leben, zusätzliche Kurzzeitparkplätze, kürzere Wege zu den Geschäften und bessere Beladung) wie ein Contra (mehr Lärm und Abgase, Beeinträchtigung von Märkten und Festen).
Man müsse alle Aspekte betrachten, die zu Leerständen führten, etwa hohe Mieten, die Ansiedlung neuer Branchen ins Auge fassen und den serviceorientierten Einzelhandel ausbauen. Erfolg verspreche ein City-Management mit stärkeren Absprachen und gemeinsamen Strategien, koordinierten Öffnungszeiten und zusätzlichen Aktivitäten. Für eine Versachlichung des Glaubenskrieges um die Öffnung von Fußgängerzone biete sich ein Blick auf die Nachbarstadt Horn an: »Die Öffnung der Fußgängerzone hat dort weder zu einer signifikanten Verbesserung der Leerstände noch der Umsätze geführt«, berichtet Bürgermeister Franzke über die Erfahrungen aus Lippe. Eine Freigabe könnte die Stadt auch teuer zu stehen kommen, denn die Landes-regierung behält sich wegen der auf 25 Jahre festgesetzten Bindungsfrist der Fördermittel (550 000 Euro bis 2009) eine Teilrückzahlung vor.
Die Sicht der Werbegemeinschaft trug Dr. Peter Junior vor, der sich von einer Öffnung eine begleitende Maßnahme, aber nicht die Lösung aller Probleme versprach. »Neben den Interessen der Geschäftsleute sind die Aspekte einer intakten Innenstadt zu verfolgen«, sagte der Apotheker. Komme die Öffnung, könne sie eigentlich nur von der Oberen Marktstraße (Volksbank) kommen, mit Verkehrsabfluss in Richtung Höxterstraße. »Wir sind nicht Partei, sondern nehmen Partei, wollen aber unseren Teil zum Erfolg beitragen.«
Der frühere CDU-MdL Antonius Rüsenberg brach eine Lanze für die Intentionen der Werbegemeinschaft, er appellierte in der emotionsbehafteten Debatte für mehr Sachlichkeit. »Die stellt sich schnell ein, wenn man nachfragt "Wo kaufst du eigentlich ein?"« Viele Geschäfte hätten nicht dicht gemacht, weil Parkplätze fehlten, sondern aus vielschichtigen Gründen. Nach Meinung Rüsenbergs könnten die noch aufgestellten drei Parkscheinautomaten ebenfalls verschwinden (was allgemeiner Tenor war). Die Öffnung der Innenstadt von der Detmolder Straße lehnte er ab: »Wir brauchen sowohl Atmosphäre wie Spielmöglichkeiten für Kinder.«
Helge Hörning war der Ansicht, dass das Einkaufscenter für die Probleme mitverantwortlich sei. Werde jetzt nicht gegen gesteuert, entstehe bald eine Dynamik, die nicht mehr aufgehalten werden könne. Bernd Drengk war dagegen der Ansicht, dass das Einkaufszentrum auch Kunden nach Steinheim gelockt und das Bahnhofsumfeld aufgewertet habe.
Ingeborg Brexel: »Unsere Stammkundschaft ist geblieben, die Laufkundschaft bleibt weg.« Stephan Menne unterstützte die Position der Werbegemeinschaft mit der klaren Aussage, das von Ruhe alleine niemand leben könne. »Nicht mehr länger warten, es geht nur noch um das Wie!« Das bestätigten die Erfahrungen von Sabine Lotsch (Hotel am Markt), die trotz der Ruhe keine Attraktivitätssteigerung der Außengastronomie feststellen konnte. Anders sah es Heimatvereinsvorsitzender Erhard Potrawa, der angesichts vielfacher Aktivitäten riet (Ruhezonen, Glockenspiel), den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen nicht gleich aufs Spiel zu setzen.
Viele Geschäftsleute berichteten von ständigen Klagen der Kunden wegen der rigorosen Parkraumüberwachung und den als Eintrittsgelder verstandenen Parkgebühren. Fakt sei, dass die Kunden vor die Geschäfte fahren möchten. Wer mehrfach Knöllchen bezahlt habe, wandere irgendwann ab.
Karl-Heinz Ismar wies noch auf eine grundsätzliche Bedingung einer Innenstadt als Chance für andere Geschäfte hin: »Ohne Lebensmittelgeschäft hilft alles nichts. Nur das bringt die Kundenfrequenz.«
Eine mögliche Öffnung liegt nun in der Hand des Rates. Nach Beratung in den Fraktionen soll die Entscheidung am Donnerstag, 16. März, fallen.

Artikel vom 20.02.2006