17.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die alte Schmiede ist gerettet

»G1 Industrie- und Wohnbau GmbH« plant Neubau und will Werkstatt erhalten

Gütersloh (rec). Mit geschlossenen Augen hört Ulrich Heismann in der alten Schmiede noch den hellen Schall des Ambosses, wenn sein Vater mit dem mächtigen Hammer darauf schlug. Er spürt noch die Hitze aus der Esse, riecht noch das eigentümliche Aroma, das glühend heißer Stahl verströmt.

Sein Vater war Friedrich Heismann (1902 - 1986), der in seiner kleiner Schmiede an der Insel bis 1983 Brunnenringe fertigte, Landmaschinen reparierte oder Hufeisen formte. An freien Tagen oder in den Ferien durften die Kinder ihren Vater begleiten - sei es raus zum Kunden oder in die kleine Werkstatt. »Mein Vater hat viel beim Kunden draußen vor Ort gearbeitet. Die Schmiede brauchte er für Arbeiten, die er nicht im Freien erledigen konnte«, berichtet Ulrich Heismann, einer von insgesamt drei Söhnen.
Als der Vater den Betrieb 1936 von seinem Onkel August Heismann (1864 - 1949) übernahm, konnte er bereits auf einen festen Kundenstamm aufbauen. Den hatte sich der Onkel seit 1888 aufgebaut. Zunächst muss er ausschließlich auf den Höfen gearbeitet haben, denn die Schmiede wurde erst 1890 gebaut. Bis zur Eingemeindung der Ortsteile Pavenstädt, Kattenstroth und Blankenhagen lief der Betrieb noch unter der Adresse »Pavenstädt 57«. Bis Mitte der dreißiger Jahre wuchs die Firma und wurde immer mal wieder erweitert. Ein Wohnhaus, das neben der Schmiede stand, wurde inzwischen abgerissen. Der Vater arbeitete noch weit über die Pensionsgrenze hinaus. »Die alten Kunden baten immer wieder um einen kleinen Gefallen. Es gab immer was zu tun«, erzählt der Sohn.
Wenn er die Augen wieder öffnet, sieht er das Werkzeug, das immer noch dort liegt, wo es der Vater abgelegt hatte. Den Hammer. Die Bohrer. Die Zangen. Die Biegemaschine. Inzwischen prüft das Westfälische Amt für Denkmalpflege, ob die alte Schmiede nicht in die Denkmalliste der Stadt Gütersloh aufzunehmen ist. Ulrich Paschke vom Denkmalamt der Stadt erwartet eine Stellungnahme in den kommenden Wochen. Für ihn steht außer Frage, dass die Schmiede absolut erhaltenswert ist. Sie sei ein Zeugnis für das Werden und Wachsen der Stadt.
Um die Schätze aus der mehr als hundertjährigen Firmengeschichte zu retten, muss ein Investor her. Viele zeigten Interesse am Standort. Die alte Schmiede liegt direkt gegenüber der Paul-Thöne-Halle. Bis in die Innenstadt dauert es zu Fuß keine fünf Minuten. Doch der Erhalt der alten Schmiede sei den meisten Interessenten gleichgültig gewesen.
Nun hat die Erbengemeinschaft Heismann die Schmiede doch verkauft - an die »G1 Industrie- und Wohnbau GmbH«. Hinter dieser Firma steckt der Gütersloher Architekt Walter Hauer. Der möchte an dieser Stelle zehn Eigentumswohnungen mit einer Größe zwischen 58 und 125 Quadratmetern errichten, inklusive Tiefgarage und Aufzug. Die Erdgeschosswohnungen könnten kleine Gärten erhalten. Und er möchte die alte Schmiede bewahren. »Das gab den Ausschlag für unsere Zusage«, sagt Ulrich Heismann.
Inklusive der Grundstückskosten geht Walter Hauer von einem Investitionsvolumen in Höhe von 1,8 Millionen Euro aus. Die Schmiede würde er gern zu einem symbolischen Preis an einen Bauherren verkaufen, der sie fachgerecht saniert und als Zeugnis eines untergegangenen Handwerks in Gütersloh erhält. Der Arbeitskreis Stadtbildpflege und Denkmalschutz des Heimatvereins signalisierte bereits Interesse an dem einen oder anderen Werkzeug.
In ihrem Neubau-Entwurf will Architektin Friederike Kriete aus dem Büro Hauer & Kortemeier die enge Verzahnung von Alt und Neu hevorheben. Der moderne, dreigeschossige Baukörper soll direkt an die frühere Wagenhalle anschließen. Der gesamte Neubau erhält einen hellen Putz. Das auf Stützen gestellte erste Obergeschoss schiebt sich in das Dach der alten Schmiede. Die zweite Etage des Neubaus ist als zurückgesetztes Staffelgeschoss geplant, um die kleine Werkstatt optisch nicht zu erdrücken. Für die Autos ist eine Tiefgarage mit 13 Stellplätzen vorgesehen. Der Bauantrag ist gestellt, die Vermarktung der Wohnungen hat bereits begonnen. »Mit dem Konzept wird auch die Erinnerung an unseren Vater bewahrt«, sagt Ulrich Heismann.

Artikel vom 17.02.2006