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Auf den Spuren unterschiedlichster Schatten

14 Künstlerinnen des Vereins für aktuelle Kunst stellen im Mindener Museum aus

Lübbecke / Minden (WB). Schatten, im Licht immer sichtbar, aber niemals zu greifen, nie einzuholen, nie zu fangen: Die Künstlerinnen aus dem Verein für aktuelle Kunst im Kreis Minden-Lübbecke haben sich dennoch an den Versuch gemacht, auf jeweils eigene Weise Schatten einzufangen. Die bemerkenswerten Ergebnisse lassen sich in einer Ausstellung im Mindener Museum betrachten, die jetzt eröffnet wurde.

Der erste Eindruck wirkt befremdlich. Gleichförmigen Kisten stehen im Kaminzimmer des Museums exakt in zwei Reihen und vermitteln den Eindruck einer minimalistischen Wiederholung von Formen, lassen keine Individualität erkennen. Einzig die zu den Objekten gehörenden Bilderrahmen an den Wänden weisen darauf hin, dass sich hier mehr verbirgt, als der erste Eindruck vermittelt. So zeigt sich denn auch beim Öffnen der Kästen in erstaunlicher Vielfalt, wie sich die Künstlerinnen mit dem Thema »Schattenfänger« auseinander gesetzt haben.
Die außerordentlich gut besuchte Eröffnungsveranstaltung wurde von einem schottischen Duo zum Klang von Flöte und Trommel eröffnet. Die stellvertretende Leiterin des Museums und der Vertreter des Landrats, Alfred Raschke, zeigten sich in ihren Eröffnungsreden erfreut über die gelungene Ausstellung.
»Schattenfänger« ist mittlerweile die dritte Ausstellung einer Frauengruppe im Verein für aktuelle Kunst. Nach dem Projekt »Tisch der Frauen« mit Stuhlobjekten im Jahr 1997 folgten 2000 Paravents unter dem Thema »Behausungen«.
»Fluchtversuch« betitelt Waltraud Binöder aus Minden ihre Kiste. Beim Öffnen schaut der Betrachter auf viele große und kleine Füße aus Ton, die alle in eine Richtung zu laufen scheinen.
Inge Dietrich aus Raddestorf hat einen vollkommen anderen Zugang zum Thema gefunden. Sie hat sich mit dem Schatten literarisch beschäftigt und bietet in ihrer Kiste eine kleine Bibliothek. Alle Buchtitel und die Karteiblätter, die die Kiste füllen, haben den Schatten zum Titel oder Thema.
Mit der Vergangenheit setzt sich Barbara Junker auseinander. »Schatten des Grauens« werden sichtbar, wenn ihre Kiste geöffnet wird. Unter dem obenauf liegenden Foto der Künstlerin zeigen sich tief am Grund der Kiste Bilder der Judenvernichtung und der Verfolgung durch die Nazis.
Brigitte Klopp aus Minden setzt das Thema in der ihr eigenen Form um. Zeitungsberichte von Kindesmisshandlungen und Kindesmissbrauch hat sie in Filzobjekte eingearbeitet. Kaum noch erkennbar sind die Berichte, die sich im Prozess des Filzens aufgelöst haben.
Friedgund Lapp aus Lübbecke hat ihre Kiste mit einer großen Zahl von weißen Stoffhandschuhen gestaltet. Sie scheinen nach dem Schatten zu greifen, der letztlich doch nicht zu fassen ist. Einem Handschuh scheint der Fang gelungen zu sein - er ist schwarz.
Isolde Merker aus Porta Westfalica zitiert aus Malerei und Literatur. Das Gemälde »Der lange Schatten« von Johann Tischbein und ein Zitat von Pablo Neruda hat sie in ihrer Kiste miteinander in Beziehung gebracht.
Rosita Oremek aus Nammen - die Initiatorin des Projektes - zieht die Verbindung zwischen Schatten und Lust. Schwarzes Leder kleidet ihre Kiste aus, lackschwarze Strapse zeigen sich, wenn man den Deckel hebt und ein daran hängendes Messer zeichnet seine Spuren in rote Pigmente am Grund der Kiste.
Katrin Sandmann-Henkels Kiste öffnet eine überraschende Sichtweise auf unsere Wahlen. Überdimensionierte Arme versuchen graue Figuren einzufangen, »Wahlfänger« ist die Kiste treffend betitelt.
Die Kiste von Liselotte Scherer aus Bad Oeynhausen nennt im Deckel Ereignisse oder Erlebnisse, die Schatten im Leben hinterlassen können.
Annelene Schulte aus Bad Oeynhausen gestaltete aus Draht, Wachs und Mull einen Schattenfänger, der in seiner Leichtigkeit an einen Engel erinnert. »Ein Wesen, das keinen Schatten wirft«, kommentiert sie ihr Kunstwerk.
Margaret Thimm aus Minden zeigt in ihrer Kiste persönliche Erlebnisse und Prägungen die jedoch erst sichtbar werden, wenn der Betrachter genauer hinschaut, einen Stein hebt und dann Einblicke in das Innenleben nehmen kann.
Ihre persönliche Geschichte hat Renate Himstedt auf ungewöhnliche Weise in die Kiste hineingebracht. Mühlenradartig drehen sich Familienfotos auf ihrem »Schattenkarussell«.
Auch Mary Wehling van Blaricum aus Minden setzt sich in ihrer Kiste mit der persönlichen Geschichte auseinander. Selbstporträts aus vier Lebensabschnitten hat sie in weiß auf schwarzen Mull gemalt und in der Kiste aufgehängt.
Ganz im Gegensatz dazu öffnet die Kiste von Gudrun Wenz eine bunte Welt die an merkwürdige Maschinen und sinnlose Apparate erinnert. Wer in einen Trichter bläst, soll hier seinen Schatten verlieren können.

Artikel vom 17.02.2006